Dr.Peter Behnen
Das Memorandum der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik trägt in diesem Jahr den Titel „ Statt Germany first- Alternativen für ein solidarisches Europa.“ Die Arbeitsgruppe stellt fest, dass über einen längeren Zeitraum betrachtet die vergangenen drei Jahre positiv aus dem Rahmen fallen, in denen der jährliche Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von fast zwei Prozent erreicht wurde. Wichtig dabei ist, die Triebkräfte zu erkennen, die hinter dem Wachstum stehen. Diese haben sich verschoben, von der überdimensionalen Exportentwicklung zur Entwicklung der Binnennachfrage. Neben den privaten Konsumausgaben wurden gerade die Staatsausgaben stark angehoben, u. a. auch wegen der Ausgaben für Flüchtlingshilfe. Trotz dieser Verschiebung wurde das Problem der internationalen Ungleichgewichte nicht gelöst. Das würde sich erst lösen lassen, wenn vor allem der Außenhandelsüberschuss der Bundesrepublik abgebaut würde.
Die Memorandum- Gruppe stellt sich die Frage, inwieweit die Politik der Bundesregierung zu der relativ moderaten Wirtschaftsentwicklung beigetragen hat. Fortschritte werden festgestellt wegen der Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnes von € 8,50 bzw. € 8,84. Wenn auch seine Höhe viel zu gering ausfalle, trage er zur Stabilisierung der privaten Nachfrage bei. Dagegen wird die drohende Altersarmut nicht bekämpft und es würden die Reregulierung der Leiharbeit ebenso wie die Mietpreisbremse viel zu zaghaft angegangen. Davon gingen keine positiven Nachfrageeffekte aus und eine soziale Umsteuerung sei auch nicht feststellbar. Unbeirrt hält die Bundesregierung an ihrer neoliberalen Wirtschafts- und Finanzpolitik fest, das zeigt sich vor allem an ihrem Umgang mit Krisenländern wie beispielsweise Griechenland. Sie verlangt dort ökonomische und soziale Einschnitte ohne Rücksicht auf die ökonomischen und sozialen Folgen.
Innenpolitisch werden in der Bundesrepublik im Augenblick tiefere Einschnitte vermieden, wodurch die wirtschaftliche Entwicklung zwar nicht gebremst aber auch keine wirklichen Impulse gegeben werden. Die zentrale Zukunftsaufgabe wie die Ausweitung staatlicher Investitionen in der Infrastruktur und im sozialen Bereich bleiben auf der Strecke. Der Investitionsstau bei den Kommunen erreichte 2015 einen Höchststand von 136 Mrd. Euro. Die Politik der Großen Koalition, die bei wenig sozialen Fortschritten sich auf den Abbau der Staatsschulden und einen ausgeglichenen Haushalt konzentriert, kann dann auch nichts gegen die ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen unternehmen, was angesichts des Rechtspopulismus hohe Priorität erhalten müsste. Die Bundesregierung lässt sich dagegen den Abbau der Arbeitslosigkeit als Erfolg ihrer Politik anrechnen. Dabei dürfen allerdings folgende Punkte nicht aus den Augen verloren werden:
- Es gibt weiterhin etwa 3 Millionen Arbeitslose. Das ist Massenarbeitslosigkeit und von Vollbeschäftigung weit entfernt.
- Die Zahl der Langzeitarbeitslosen liegt seit Jahren über eine Million Menschen.
- Die geschaffenen Arbeitsverhältnisse sind oft befristet und führen zu prekären wirtschaftlichen Verhältnissen.
- Die tatsächliche Arbeitslosigkeit liegt viel höher, bei etwa 4,5 Millionen Menschen, weil viele Arbeitslose nicht mehr als solche registriert sind.
Die Bundesregierung rechnet sich ihre Haushaltspolitik als großen Erfolg an. Es wurde zum ersten Mal seit 2007 im Jahre 2014 ein gesamtstaatlicher Finanzierungsüberschuss erreicht. Es wurde nicht nur die „ schwarze Null“ erzielt sondern sogar ein Überschuss von beträchtlicher Höhe. Das war bedingt durch das moderate Wirtschaftswachstum und die stark gesunkenen Zinsen. Bund, Länder und Gemeinden konnten seit Ausbruch der Finanzkrise 2008 allein dadurch 240 Mrd. Euro einsparen.
Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik fordert deswegen seit Jahren ein umfassendes Investitions- und Ausgabenprogramm, weniger um kurzfristige Stimuli zu erzielen und mehr für den Aufbau einer leistungsfähigen Infrastruktur. Das dürfen nicht nur Investitionen in Beton sein sondern auch Ausgaben zur Einstellung zusätzlichen Personals im Bildungswesen, Alteneinrichtungen, Pflegeheime, Arbeits- und Finanzämter u. s. w. Die Bekämpfung der ungleichen Verteilung von Einkommen und Vermögen erhält eine zusätzliche Priorität. Die günstigen Rahmenbedingungen wurden bisher nicht genutzt die dringendsten Probleme anzugehen und es wurde anstatt dessen an den neoliberalen Dogmen festgehalten. Es ist höchste Zeit einen grundlegenden Wandel in der Politik einzuleiten.