Der Rechtspopulismus und was dagegen unternommen werden muss.

Dr. Peter  Behnen

Der heutige Kapitalismus ist mit grundlegenden Problemen konfrontiert. Dazu gehören große Probleme der Weltwirtschaft, ökologische Krisen, globale Migrationsbewegungen, wachsende militärische Konflikte und eine Ausweitung des internationalen Terrorismus. 

All das findet seinen Ausdruck in dem Erstarken von rechtspopulistischen Bewegungen und autoritären Regierungen. Das ist nicht nur in den USA zu beobachten, sondern vor allem auch in Europa. Zu nennen sind u.a. Entwicklungen in Großbritannien, in Frankreich, in der Türkei, in Italien und den Niederlanden sowie in den Visegradstaaten. In der Bundesrepublik haben wir es mit dem Phänomen zu tun, dass die AFD in verschiedenen Bundesländern die etablierten Parteien überholen konnte und für die kommende Bundestagswahl nicht auszuschließen ist, dass sie zur drittstärksten Partei in der Bundesrepublik wird. (1) Der Grund für die Aufwärtsentwicklung des Nationalismus, Rassismus und Rechtspopulismus in den kapitalistischen Gesellschaften ist in wirtschaftlichen und kulturellen Verlustängsten zu suchen. Der Unterschied zur Entwicklung des Faschismus in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts liegt allerdings darin, dass es heute im Vergleich zu damals keine derart tiefe Krise mit grassierenden Konkursen und vergleichbar hoher Arbeitslosigkeit gibt. Der Rechtpopulismus gedeiht gerade in den Ländern, in denen relativer Wohlstand herrscht. Die USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland zum Beispiel sind keine Katastrophengebiete sondern Länder, in denen viele Bürger trotzdem das Gefühl haben, durch Verlängerung der bisherigen Politik etwas zu verlieren. Der augenblickliche Kapitalismus erzeugt Fehlentwicklungen, die sich in einem erheblichen „Angstrohstoff“ (O.Negt) niederschlagen. Wären allerdings die große Finanzkrise 2008 und die Eurokrise die entscheidenden Ursachen, dann wäre zu erwarten, dass gerade in den Ländern mit den größten sozialen Verwerfungen sich der Rechtpopulismus am stärksten entwickelt hätte. Das ist aber nicht der Fall, sondern der Rechtpopulismus geht vor allem in den Ländern in die Höhe, die vergleichsweise gut durch die Krise kamen. Es ist zu beobachten, dass im Rahmen der neoliberalen Wende seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts eine längerfristige Entwicklung vonstatten geht, die mit einer weitgehenden Veränderung des Parteiensystems verbunden ist. Die Rechtspopulisten lehnen das „Establishment“ in der Politik ab und haben auch eine ausgeprägte Abneigung gegenüber den Medien (Lügenpresse). Sie setzten auf das Volk, ohne das klar wird, wer konkret gemeint ist. Es wird nur behauptet, sie ausschließlich verträten das Volk und schließen damit den gesellschaftlichen Pluralismus, vor allem wenn er multikulturell geprägt ist, aus. Neben der Kritik am „Establishment“ und dem multikulturellen Pluralismus sind es vor allem der Antiislamismus, die Kritik an der Zuwanderung und die bundesdeutsche Asylpraxis, die bei uns die AFD beherrschen.

Man kommt den Ursachen des Rechtspopulismus näher, wenn man die Abstiegsängste und Verunsicherung der unteren Mittelschicht in den Blick nimmt. Dabei geht es gar nicht um eine konkrete Abstiegsgefahr, sondern die untere Mittelschicht fürchtet sich um die zukünftige Wirtschaftsentwicklung und Einkommensentwicklung, ihre gesellschaftliche Perspektive also. Das hat natürlich auch einen gesellschaftlichen Hintergrund. Es kommt seit Jahren zu einer massiven Polarisierung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse, so dass viele Haushalte der unteren Mittelschicht weder von ihrem Erwerbseinkommen gut leben, geschweige den in Zukunft eine auskömmliche Rente beziehen können. Das bedeutet, der rechte Populismus ist keine Bewegung der wirklich Armen sondern eine Bewegung der unteren Mittelschicht in einer wohlhabenden kapitalistischen Gesellschaft. Diese Teile der Bevölkerung sehen sich nicht mehr durch die herrschenden Parteien repräsentiert. Vor dem Hintergrund des wachsenden Zustroms von Zufluchtsuchenden und offensichtlichen Mängeln in der staatlichen Infrastruktur, zum Beispiel in der Wohnungspolitik und im sozialen Bereich, nehmen die Ängste und Ressentiments zu. Das drückt sich in einer verstärkten Unterstützung der Ab- und Ausgrenzung von noch schwächeren sozialen Gruppen aus. Alle empirischen Untersuchungen belegen, dass sich diese Einstellungen nicht auf Rechtsextreme beschränken sondern auch in anderen Gruppen Zuspruch finden.

Die etablierten Parteien haben keine Antwort darauf, wie die Spaltung der Gesellschaft überwunden werden kann. Deswegen ist es Aufgabe der progressiven Kräfte in der Gesellschaft, vor allem auch der Linkspartei, für eine Abkehr von der neoliberalen Politik und der Deregulierung in den meisten Lebensbereichen zu kämpfen. Statt dem Rechtspopulismus und seinen Vorschlägen zu folgen, muss für eine solidarische Gesellschaft gekämpft werden und gegen Herrschaftseliten, die sich das Gros des gesellschaftlichen Reichtums aneignen. Es gilt über die bisher verfolgte Politik der Mitbestimmung hinauszugehen, um zu einer echten Wirtschaftsdemokratie zu kommen. Vielen erscheint das unrealistisch, aber die Mobilisierungserfolge von Bernie Sanders in den USA und Jeremy Corbyn in Großbritannien machen Mut, soziale Alternativen zum Rechtspopulismus entschlossen anzugehen und zu verwirklichen. Es bedarf eines breiten Bündnisses von Kräften, die auf demokratischem Weg den Kapitalismus, der strukturell auf Ungerechtigkeit und Ungleichheit angelegt ist, Schritt für Schritt in eine soziale und wirtschaftsdemokratische Richtung zu verändern. Eine solche Politik ist auch der einzig rationale Weg, die Angst und Verunsicherung weiter Bevölkerungskreise anzugehen und dem Rechtspopulismus auf Dauer das Wasser abzugraben.

 

(1) Siehe zu den folgenden Ausführungen u.a. Joachim Bischoff, Herausforderung Rechtspopulismus, in Sozialismus aktuell vom 1.1.2017.