von
Dr.Peter Behnen
Bei Teilen der Linken besteht die Vorstellung, durch die Auflösung der Eurozone könnten die beteiligten Nationalstaaten eine größere Eigenständigkeit in ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitik erlangen. Gegen diese politische Option sprechen allerdings mehrere Punkte:
1. Eine Auflösung der Eurozone wäre für eine längere Übergangszeit für die europäischen Schuldnerländer und Gläubigerländer mit gravierenden Anpassungsproblemen verbunden. In den Gläubigerländern mit Aufwertungen und Wachstumseinbußen und den Schuldnerländern mit Erhöhungen der Importpreise ohne eine wirkliche Exportoffensive starten zu können.
2. Staaten mit hoher Verschuldung müssen einen deutlichen Anstieg ihrer Zinssätze und Staatsschulden hinnehmen, in ihrer nationalen Währung gerechnet. Sie werden zu einer weiteren Sparpolitik (Austeritätspolitik) gezwungen sein, verbunden mit höherer Arbeitslosigkeit, weiteren Lohneinbußen und Senkung sozialer Leistungen.
3. Das Hauptproblem der Befürworter der Auflösung der Eurozone besteht darin, dass sie die Anpassungsprobleme, die mit einer größeren Krise der Schuldnerländer verbunden sein werden, nicht in den Blick nehmen. Abgesehen davon, dass die Verstärkung nationaler Tendenzen, die ja gerade bekämpft werden sollen, sehr wahrscheinlich ist.
Angesichts der negativen Folgen einer Auflösung der Eurozone ist es die Aufgabe der Linken, für eine tiefgehende Reform der Europapolitik zu kämpfen. Die Fehlkonstruktion des Eurosystems behebt man nicht durch seine Auflösung sondern durch eine alternative Wirtschaftspolitik, eine europäische Ausgleichsunion, eine gemeinsame Schuldenpolitik, eine neue Sozialpolitik und eine Regulierung der Finanzmärkte. Das alles müsste durch eine europäische Wirtschaftsregierung durchgesetzt werden (1).
Das würde erstens bedeuten, dass eine expansive europäische Fiskalpolitik und ein umfassendes Investitionsprogramm durchzuführen wären. Ein Abgehen von den Regeln des Maastricht-Vertrages, des Stabilitätspaktes und der Schuldenbremse ist unbedingt erforderlich und der Aufbau eines umfangreichen EU-Haushaltsfonds. Für die Bundesrepublik würde das u. a. bedeuten, eine binnenmarktorientierte Wirtschaftspolitik zu betreiben anstatt einen Teil der gesellschaftlichen Ersparnisse als Kapitalexport ins Ausland zu transferieren. Es könnte die bundesdeutsche Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen der europäischen Partner gesteigert werden. Ein umfangreiches europäisches Investitionsprogramm wurde bereits vom DGB in einer Größenordnung von 2% des EU-BIP (260 Mrd. Euro) pro Jahr gefordert. Die Gegenfinanzierung hätte kurzfristig über Kredite und mittel- und langfristig über Steuermehreinnahmen zu erfolgen.
Um zweitens die Leistungsbilanzen der Eurostaaten ins Lot zu bringen, wäre statt einer Austeritätspolitik eine Ausgleichspolitik zu etablieren. Ausgleich bedeutet, dass auf einen gemeinsamen Ausgleich der Leistungsbilanzen der Eurostaaten hinzuwirken ist. Zur Bekämpfung der Schuldenprobleme könnten Eurobonds herausgegeben werden, das sind Anleihen, die von den Eurostaaten gemeinsam herausgegeben werden. Das bedeutete eine klare Bonitätsverbesserung der Schuldnerstaaten und ein Schritt zur Überwindung der Defizite des Maastrichter Vertrages. Eine gemeinsame Schuldenpolitik ist eine nach vorne gerichtete Solidaritätspolitik.
Drittens wäre diese Politik sinnvoll zu ergänzen durch einen gemeinsame Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik, Lohn uns Einkommenspolitik und Politik der sozialen Sicherung. Im Finanzsektor ist viertens eine weitgehende Regulierung vonnöten einschließlich einer Einführung der Finanztransaktionssteuer. Der Wildwuchs an Finanzprodukten ist anzugehen, insbesondere wenn sie auf Spekulationsgeschäfte ausgerichtet sind. Die Trockenlegung von Steueroasen und eine schlagkräftige Steuerpolitik im europäischen Rahmen gilt es außerdem zu verwirklichen.
Insgesamt muss klar sein, dass, wenn die Defizite des Maastricht-Vertrages bekämpft werden sollen, am besten eine handlungsfähige Europäische Wirtschaftsregierung geschaffen werden müsste. Sie wäre am ehesten in der Lage, den Gedanken einer europäischen Solidarität in die Tat umzusetzen und Raum zu schaffen für die progressiven Kräfte, die ein solidarisch ausgerichtetes Europa wollen.
(1) Siehe hierzu: Busch u.a. Europa geht auch solidarisch, VSA-Verlag, Hamburg 2016, S.53 ff