Die Linke und die Bundestagswahl 2017

von

Dr.Peter Behnen

 

Nach viel Ratlosigkeit aufgrund der letzten Landtagswahlen ist ein Streit in der Linken entbrannt, wie sich die Partei personell und programmatisch für die Bundestagswahl 2017 aufstellen soll (1).

Der Konflikt ist auch deshalb entbrannt, weil nicht klar ist, wie mit dem Aufstieg der AFD und ihren WählerInnen umgegangen werden soll. Es geht zudem um die Frage, ob die Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht im Wahlkampf an die Spitze gestellt werden soll und wie dominant sie in inhaltlichen Fragen sein darf bzw. inwieweit alternative Auffassungen zum Tragen kommen können. Mit der Kandidatenfrage verknüpft ist die Diskussion um eine rot-rot-grüne Koalition im Land Berlin und eventuell auch um diese politische Konstellation nach der Bundestagswahl 2017. Eine Entscheidung für Sahra Wagenknecht als Spitzenkandidatin der Partei „Die Linke“ würde vermutlich eine solche Zusammenarbeit erheblich erschweren.

Bisher ist in der Linken umstritten, wie die politische Dynamik der AFD zu erklären ist und wie diese Dynamik gestoppt werden kann. Es ist damit zu rechnen, dass sich die AFD im Bund als drittstärkste politische Kraft etablieren kann, wenn kein überzeugendes politisches Mittel gegen sie gefunden werden kann. Die AFD ist wie andere rechtspopulistische Parteien in Europa das Symptom des Problems, dass 70% der Bevölkerung mit den politischen Eliten unzufrieden sind. Die Unzufriedenheit bezieht sich vor allem auf die zunehmende soziale Ungleichheit, insbesondere was das Einkommen, das Vermögen, die Wohnungssituation und die Bildungschancen betrifft. Dabei wird die Migration als Schlüsselproblem gesehen verbunden mit der wachsenden Furcht vor Statusverlust in den unteren Mittelklassen. Es gelingt den etablierten Parteien nicht, den Grund der Unzufriedenheit zu begreifen und anzugehen.

Die Partei „Die Linke“ ist auch von dem rechtspopulistischen Trend betroffen, das sollte allerdings nicht dazu führen, die Wählerwanderung zur AFD ins Zentrum der Debatte zu rücken, insbesondere deshalb, weil die AFD ihre Stimmen vorwiegend von ehemaligen Nichtwählern und von bürgerlichen Parteien erhält. Die Warnung von Gregor Gysi u.a. scheint immer noch nicht in der Partei angekommen zu sein. Ein verkürztes Verständnis des Rechtspopulismus kann dazu führen, dass bewusst oder unbewusst gemeinsame Schnittmengen mit den Rechtspopulisten ausgemacht werden. Das wurde zum Beispiel in dem Doppelinterview deutlich, das Sahra Wagenknecht und Frauke Petry in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung führten. Die Ablehnung des Euro und die Rückverlagerung von politischen Kompetenzen von der EU auf die Nationalstaaten wird von Wagenknecht als demokratische Forderung angesehen und befindet sich plötzlich mit Frauke Petry in einem Boot, wenn auch mit einer anderen Begründung. Diese Argumentation von Sahra Wagenknecht überzeugt nicht und sollte nicht in der Partei Platz greifen. Die unzulängliche und falsche Politik der EU geht auf den Europäischen Rat zurück und die in ihm dominierenden Regierungen insbesondre die deutsche Bundesregierung, das heißt, die Adressaten der Kritik müssen die nationalen Regierungen sein, die die neoliberale Politik betreiben. Wenn diese Tatsache nicht in den Mittelpunkt gerückt wird, werden dem Rechtspopulismus Steilvorlagen gegeben. Frauke Petry definiert dann auch konsequenterweise Demokratie als eine politische Form kleiner Verbände und zeigt damit, dass sie ein geradezu feudales Gesellschaftsbild verkörpert. Das muss die Linke klar benennen, wenn sie nicht will, dass die Illusion der Renationalisierung als ein demokratisches Gegenmodell zu Europa verkauft wird. Die Kritik an dem Euro und der Eurozone geht in die falsche Richtung, wenn daraus eine Rückkehr zum Nationalstaat gefordert wird. Insoweit sind auch die Eurexit- Kampagne bzw. Lexit-Kampagne zu kritisieren, die auch von Linken unterstützt werden. Es ist zu verdeutlichen, dass ein Europa ohne die EU nicht per se ein demokratischeres und sozialeres Europa darstellt. Entscheidend ist immer, welche Politikrichtung die nationalen Regierungen eingeschlagen haben.

 

Worauf die Debatte um die personelle und programmatische Ausrichtung der Partei zur Bundestagswahl 2017 auch hinweist ist die Debattenkultur in der Partei „ Die Linke“. Wenn Sahra Wagenknecht u.a. aufgrund ihrer Medienkontakte ihre politische Position in die Öffentlichkeit tragen können ohne Einbindung in die innerparteiliche Debatte wird deutlich, dass es offensichtlich schwer fällt, eine breite Debatte in der Partei zu politischen Grundsatzthemen zu entwickeln. Wenn die Partei in der politischen Auseinandersetzung ein ernsthafter Faktor sein will, muss sie, unabhängig von Spitzenkandidaten, in der Lage sein, der auf Austerität ausgerichteten bürgerlichen und sozialdemokratischen Politik ein Gegenmodell zu präsentieren. Es muss durch ein Plädoyer für eine entschiedene Reformpolitik und proeuropäische Politik die etablierte Politik massiv von links unter Druck gesetzt werden. Es muss ein umfassendes Programm staatlicher Investitionen auf nationaler und europäischer Ebene verwirklicht werden, zur Förderung von Solidarität und ökologischer Nachhaltigkeit. Nur so wird es gelingen, den Rechtspopulismus zurückzudrängen und die Diskussion über Alternativen zur herrschenden Politik stärker in der Öffentlichkeit zu verankern.

 

(1) Siehe hierzu : Sozialismus Aktuell vom 8.10.2016