von
Dr.Peter Behnen
Bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus wurde die rot-schwarze Landesregierung abgewählt und haben die Rechtspopulisten der AFD ein zweistelliges Ergebnis eingefahren. (1)
Das große Potenzial an Nichtwählern konnte erfolgreich von der AFD aktiviert werden. Die Grundlage des Erstarkens der AFD ist die Unzufriedenheit vieler BürgerInnen mit der aktuellen sozialen Lage und vor allem ihre Skepsis bezüglich der Zukunftsperspektive. Vordergründig haben der Flüchtlingszuzug, Terroranschläge und die innere Sicherheit eine besondere Bedeutung, es gibt allerdings untergründig einen wachsenden Trend zum Unbehagen über die soziale Ungleichheit. Immerhin zwei Drittel der Bevölkerung hält die Einkommens- und Vermögensverteilung in der Bundesrepublik für ungerecht. Die Verlierer dieser gesellschaftlichen Entwicklung haben häufig die Vorstellung, dass sie Opfer einer politischen Umgestaltung zu Gunsten von Fremden und anderer Kulturen seien. Dieses Ressentiment sitzt tief und entfesselt den Rechtspopulismus. Die Wahlergebnisse, u. a. in Berlin, haben viel damit zu tun, dass den etablierten Parteien die Sachkompetenz abgesprochen wird, die gesellschaftlichen Probleme zu lösen. Es hat sich inzwischen gezeigt, dass die Formel „ Wir schaffen das“ nicht mehr ausreicht, die fremdenfeindlichen Ressentiments zurückzudrängen.
Wie positioniert sich die Linke in dieser Lage?
Die Linkspartei hat sich zu lange damit aufgehalten, dem Verlust ihrer Wählerstimmen zu Gunsten der AFD nachzutrauern. Gregor Gysi dagegen warnt zu Recht davor, die Wählerwanderung von der Linkspartei zur AFD ins Zentrum der Diskussion zu rücken. Fakt ist, dass die AFD ihre Stimmen überwiegend aus dem Nichtwählerbereich und von den Parteien des bürgerlichen Lagers holt. Für Gysi unterscheiden sich die etablierten Parteien in zentralen politischen Fragen immer weniger voneinander, da könne die Linkspartei einen Kontrapunkt setzen. In Berlin hat die Linke die von den etablierten Parteien vernachlässigten Themen ins Zentrum gerückt. Das waren die städtische Armut, die Wohnungsnot und das Chaos in der öffentlichen Verwaltung, die allesamt durch die massive Sparpolitik bei Personal und Investitionen entstanden sind. Diese Themen müssen in einer etwaigen rot-rot-grünen Regierung einen besonderen Stellenwert erhalten. Eine solche Regierung könnte neuen Schwung in die politischen Kräfteverhältnisse bringen und hätte auch ein großes Gewicht bei den Auseinandersetzungen bis zur Bundestagswahl 2017. Bodo Ramelow weist darauf hin, dass es darauf ankomme, die Antworten auf die soziale Ungleichheit präzise und überzeugend darzustellen. Es bedürfe gewaltiger Neuordnungsprozesse, in die möglichst viele linke Impulse einzubringen seien. Mathias Höhn verdeutlicht, dass die Verteilungsfrage ins Zentrum der politischen Auseinandersetzung gehöre, denn jede soziale Reformpolitik habe zur Voraussetzung, dass Vermögende, Kapitaleigentümer und Superreiche stärker steuerlich herangezogen würden.
Diese Argumentation muss in der Linken dringend befördert werden. Als erstes müssen Länder und Kommunen vom Bund finanziell so unterstützt werden, dass dringende Zukunftsinvestitionen umgehend in Angriff genommen werden können. Das Bildungssystem, bei Kitas angefangen, bedarf einer Modernisierung und eines gewaltigen Ausbaus. Mehr bezahlbarer Wohnraum und gut bezahlte Fachkräfte im öffentlichen Dienst sind dringend erforderlich. Die Gelder sind kurzfristig bereitzustellen. Da häufig staatliche Überschüsse fehlen, Ausgabenkürzungen vielfach kontraproduktiv sind und neue Steuereinnahmen erst mittelfristig zur Verfügung stehen, müssen die Ausgaben kurzfristig über die staatliche Verschuldung bestritten werden. Das ist auch wegen der augenblicklich niedrigen Zinsen für den Staat günstig wie nie. Eine kurzfristige Verschuldungspolitik ist auch deswegen angemessen, da die staatlichen Investitionen überwiegend langfristig getätigt werden und deswegen generationenübergreifend durch Kredite vorfinanziert werden können. Langfristig ist die Gegenfinanzierung durch Steuern durchzuführen. Die kurzfristig ausgelösten Wachstumsimpulse werden dann kein Strohfeuer sein, wenn sie in eine mittel- und langfristige Strukturveränderung der Gesellschaftsordnung eingebettet sind. Für solche Vorschläge hat die Linkspartei bei der SPD, den Grünen, den Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Gruppen offensiv zu werben.
(1) Siehe hierzu: Sozialismus aktuell vom 22.9.16