von Dr.Peter Behnen
Bertolt Brecht stellte 1941 in seiner Parabel „ Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“ klar, dass der Faschismus kein unabwendbares Schicksal darstellte sondern als Konsequenz der herrschenden Verhältnisse anzusehen war. Ähnliches kann heute zum Aufstieg der AFD gesagt werden. Auch ihr Aufstieg ist bemerkenswert. Seit ihrer Gründung im Jahre 2013 hat sie eine dynamische Entwicklung hingelegt. Ihr gelang 2014 mit einem euroskeptischen Programm der Einzug ins Europaparlament und fünf Länderparlamente. Im Jahre 2015 kam es zu harten Auseinandersetzungen zwischen dem wirtschaftsliberalen Flügel und rechtspopulistischen Strömungen und dann zum Bruch der Partei. Die Wirtschaftsliberalen zogen sich aus der Partei zurück und die Radikalisierung nach rechts in der AFD nahm deutlich zu. Die Partei vertritt heute eine teilweise rechtsextreme und völkisch-nationalistische Programmatik.
Die fragile Wirtschaftsentwicklung in der Bundesrepublik, die soziale Spaltung in der Gesellschaft sowie die starke Flüchtlingsbewegung nach Europa sind die Elemente, die der AFD eine Etablierung im bundesdeutschen Parteienspektrum ermöglichen können. Sie ist nicht als reine Protestpartei anzusehen, sondern sie besetzt rechtskonservative bis rechtsextreme Leerstellen, die u.a. durch die Umwälzungen im bürgerlichen Lager entstanden sind. Mit der Eskalation der Euro- und Finanzkrise und dem Zustrom der Schutzsuchenden sind wir europaweit mit dem Aufstieg des Rechtspopulismus konfrontriert. Die Parteien des bürgerlichen Lagers und die Sozialdemokratie sind gelähmt. Beide Parteienfamilien bieten keine überzeugenden Lösungen für die schwächelnde Wirtschaftsentwicklung, die wachsende Kluft in den Verteilungsverhältnissen und den Niedergang der öffentlichen Infrastruktur. In großen Teilen der Bevölkerung herrscht eine Stimmung der Zukunftsangst und des Missmutes gegenüber den etablierten Parteien vor, sodass immer mehr Wähler bereit sind, dem Rechtspopulismus eine Chance zu geben.
Im Zentrum der rechtspopulistischen Mentalitäten steht die Kritik an den herrschenden Eliten und dem politischen System insgesamt. Die häufig vorgebrachte Interpretation, es handele sich um ein Unterschichtphänomen ist falsch. Die unteren sozialen Schichten haben sich schon seit langem von der politischen Willensbildung und den Wahlen verabschiedet. Mit Protesten und Sympathien für die AFD reagiert vor allem die untere Mittelschicht, die sich massiv bedroht fühlt und verunsichert ist. Das lässt sich an ihrer Lebenssituation und sozialen Struktur deutlich zeigen. Rund ein Viertel der Pegida- Anhänger haben einen Universitäts- oder Fachhochschulabschluss, sie arbeiten zu 52 Prozent in Vollzeit, der Anteil der Rentner beträgt 34 Prozent. Unzufrieden sind die Befragten, obwohl sie sich relativ zur Unterschicht noch nicht in einer vergleichbaren prekären Lage befinden, mit der Situation in der Bundesrepublik. Rund 65 Prozent sehen ihre Zukunft düster und landen dann zu einem großen Teil bei der AFD. Diese Partei stützt sich auf weit verbreitete Ressentiments. Während die Vorstellungen von Sicherheit und Ordnung, Identität und Gemeinschaft durch gesellschaftliche Modernisierungsprozesse schon seit längerem an Stabilität eingebüßt haben, geraten diese Wertvorstellungen im alltäglichen Bewusstsein durch die nicht durchschauten Finanzkrisen und die unkontrollierte Massenzuwanderung von Schutzsuchenden vollends aus den Fugen. Es nehmen Ressentiments und soziale Ängste zu, was sich in einer wachsenden Unterstützung für Positionen von Ab- und Ausgrenzungen umsetzt. Es kommt zu einer aggressiven Artikulation von Ressentiments gegenüber Muslimen, Asylbewerbern und Migranten und auch zu Hassparolen gegenüber den politischen und medialen Eliten. Inzwischen beteiligen sich auch Teile der bürgerlichen Parteien und der Sozialdemokratie an den Ab- und Ausgrenzungsritualen. Diese Teile stellen sich immer weniger gegen rechtsextreme Einstellungen. Die Kehrseite der Medaille ist, dass aus Anhängern aller herkömmlichen Parteien die AFD Zulauf erhält.
Festzuhalten ist, dass der Rechtspopulismus keine Bewegung der Armen sondern eine Bewegung der unteren Mittelschichten darstellt. Diese Bewegung ist überall in Europa auf dem Vormarsch, sei es die Front National, Ukip, Lega Nord, FPÖ und jetzt die AFD in der Bundesrepublik. Sie ist eine Bewegung gegen das politische Establishment, das keine wirtschaftliche, politische und soziale Sicherheit mehr garantieren kann. Diese Bewegung ist allerdings nicht unaufhaltsam. Sie kann aufgehalten werden, wenn überzeugende Konzepte für die wirtschaftliche, politische und soziale Weiterentwicklung vorgelegt und umgesetzt werden. Zu diesen Konzepten gehören eine stärker regulierte Wirtschaftsentwicklung, ein entschlossener Kampf gegen die Einkommens- und Vermögensungleichheit und für eine größere soziale Sicherheit, eine Einbeziehung der Bevölkerung in politische Entscheidungen sowie eine demokratische und soziale Weiterentwicklung in Europa. Für solche Konzepte Bündnispartner zu finden ist u. a. Aufgabe der Linken. Nur einem breiten Block nicht neoliberaler Kräfte wird es gelingen, dem Rechtspopulismus und damit der AFD Einhalt zu gebieten.
(1) Siehe hierzu: Joachim Bischoff und Bernhard Müller, Der Aufstieg der AFD, in Sozialismus aktuell vom 4.3. 2016