DER IWF, SCHÄUBLE UND DER GREXIT

von

Dr.Peter Behnen

 

Bekanntlich war es die Troika, bestehend aus IWF, EZB und EU, die seit 2010 in bestimmter Weise zur griechischen Krise beigetragen hat. Besonders der IWF und die EU haben deswegen eine Menge Kritik einstecken müssen. Olivier Blanchard, der Chefökonom des IWF, versuchte deswegen, die Politik des IWF zu verteidigen. Er antwortete zuerst auf den Vorwurf, dass die Finanzhilfe für Griechenland im Wesentlichen eine Finanzhilfe für Banken war. Blanchard verwies auf den Zusammenbruch von Lehman Brothers im Jahre 2008 und meinte, es habe 2010 die Gefahr bestanden, dass es zum Zusammenbruch von Banken mit Kettenreaktionen gekommen wäre. Dem hält Ashoka Mody, ein ehemaliger Mitarbeiter des IWF, entgegen, dass die US-Behörden im Fall der Washington Mutual Bank die Gläubiger und Anteilseigner zwangen, alle Verluste selbst zutragen. „ Im Falle Griechenlands…wäre es für die französischen und deutschen Behörden eine einfachere und mit wesentlich geringeren Kosten verbundene Lösung gewesen, ihre Banken mit ausreichend Liquidität zu versorgen, damit sie bei Abschreibungen auf ihre griechischen Schuldenbestände geschützt gewesen wären.“ (1) Wenn es zu einer Kettenreaktion gekommen wäre, hätten, weil ein globales Problem vorgelegen hätte, die Kosten gemeinschaftlich zur Vermeidung der Ansteckung getragen werden müssen. Eine Kreditierung der betroffenen Nation unter Sparauflagen war von Anfang an der falsche Weg. Das war auch im Prinzip die Position des IWF, an die sich Blanchard nicht mehr erinnern will.
Blanchard hält daran fest, dass es zur Austeritätspolitik im Falle Griechenlands keine Alternative gegeben habe. Es sei aber nicht die Austeritätspoltik gewesen sondern fehlende Strukturreformen, die Griechenland kein Wachstum gebracht hätten. Andererseits hatte Blanchard im Jahre 2013 die britischen Behörden davor gewarnt, weiter harte Austeritätsmaßnahmen zu ergreifen, das sei ein Spiel mit dem Feuer. Dazu Ashoka Mody: „Wenn Austeritätspolitik in Großbritannien ein Spiel mit dem Feuer war, dann wirkte sie in Griechenland wie ein Würgegriff…Während das Vereinigte Königreich aggressiv seine Banken stabilisierte, blieben bei den griechischen Banken die notleidenden Aktiva weiterhin in den Büchern. Ohne diese Hilfe durch die Geldpolitik lag in Griechenland die ganze Last auf der Haushaltssanierung.“ (2) Die Konsequenz war, dass der Wirtschaftsab-

(1) Sozialismus aktuell vom 17.7.15 S.
(2) a.a.O. S.2
schwung in Griechenland gigantisch wurde, ein sogenannter Schulden-Deflations-Zyklus trat ein. Werden mehr Schulden in der Krise zurückgezahlt, wird die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen eingeschnürt. Die Preise und Löhne fallen und der Wert der ausstehenden Schulden wächst weiter. Diese Entwicklung bestätigt der IWF an verschiedenen Stellen durch seine eigenen Forschungen. Inzwischen hat auch Blanchard eingesehen, dass ein radikaler Schuldenerlass für Griechenland vonnöten ist, das zeigt auch die Schuldenertragsfähigkeitsanalyse des IWF vom 2.Juli 2015. Was die Strukturreformen Griechenlands angeht, so musst festgehalten werden, dass der IWF darunter in der Regel Einsparungen im Rentensystem, Lohnkürzungen und Lockerungen des Kündigungsschutzes verstand. Das sind allesamt Maßnahmen, die die Abwärtsspirale noch weiter nach unten gedreht haben.

Das Abkommen zwischen der EU und der griechischen Regierung, das am 13.Juli 2015 ausgehandelt wurde, enthält aber weder einen Schuldenerlass noch ein groß angelegtes Investitionsprogramm für Griechenland. Von den 86 Mrd. Euro, die in Aussicht gestellt wurden, braucht Griechenland 36 Mrd. Euro für fällige Schuldentilgungen bis 2018. Mit weiteren 25 Mrd. Euro sollen griechische Banken rekapitalisiert werden, weil sonst das griechische Banksystem beim weiteren Run auf die Banken zusammenbrechen würde. 18 Mrd.Euro von den 86 Mrd. sind für Zinszahlungen vorgesehen, die Griechenland bis 2018 leisten muss. Jeder kann sich also ausrechnen, was dann noch für eine staatliche Investitionsoffensive und die Bekämpfung der humanitären Katastrophe übrig bleibt. Die bevorstehenden Verhandlungen zwischen der EU und der griechischen Regierung müssen auf diese Probleme eine Antwort finden.
An dieser Stelle kommt der deutsche Finanzminister Schäuble in die Diskussion. In Übereinstimmung mit vielen Ökonomen und dem IWF kommt er zu dem Schluss, dass Griechenland einen echten Schuldenschnitt benötige. Da aber ein Schuldenschnitt mit der Mitgliedschaft in der Währungsunion unvereinbar sei, müsse Griechenland die Währungsunion zeitweilig verlassen. Europas Regierungen fürchten allerdings bei Schuldenabschreibungen die Reaktion ihrer Wähler und die Signalwirkung für andere Schuldenstaaten. Die IWF-Chefin Lagarde hält es deswegen für ausreichend, wenn die Kreditlaufzeiten weiter verlängert werden. Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung(DIW) Marcel Fratscher bezeichnet wie viele andere Ökonomen einen Grexit als die schlechteste Option, weil die Wiedereinführung der Drachme trotz einer massiven Abwertung wenig nützen würde. Griechenland produziere kaum noch Waren, die international gefragt seien. Der Grexit führe zudem zu einer weiteren Verschärfung der humanitären Katastrophe.

Es gibt also keine Alternative zu einem Hilfsprogramm, das auch zu einem wirklichen Investitionsschub in Griechenland führen muss. Davon ist man bei der Konstruktion des bisher angedachten Programms aber noch meilenweit entfernt. Schäubles Exil-Option wird weiter in der Diskussion bleiben. Ihm schwebt offensichtlich die Konzeption eines Europas der zwei Geschwindigkeiten vor. Deutschland und andere wirtschaftsstarke Euroländer zwingen andere Eurostaaten sich im Krisenfall für eine knallharte Austeritätspolitik oder einem Austritt aus der Währungsunion zu entscheiden. Yanis Varoufakis sieht hinter Schäubles Grexit-Option eine Strategie zur Neuordnung der Eurozone, die alle Staaten aus der Eurozone drängt, die sich einem speziellen d.h. neoliberalem Bauplan widersetzen. Varoufakis hält das für einen Anschlag auf demokratische Prinzipien in Europa. Auch der US-Ökonom Joseph Stiglitz sieht im Fall Griechenland eine Strategie führender europäischer Politiker, eine unliebsame linke Regierung loszuwerden. Der Wirtschaftshistoriker Barry Eichgreen ergänzt, das neue Hilfsprogramm sei pervers weil es Griechenland noch tiefer in die Depression stürzen werde. „ Auch der jetzt umgesetzte Kompromiss werde letztlich zu einem Grexit führen, entweder weil die Geldgeber ihre Unterstützung beenden, nachdem das Fiskalziel nicht erreicht wurde oder aber, weil die griechischen Menschen rebellieren werden.“ (3)

Die anderen Eurostaaten dürfen somit nicht zulassen, dass das europäische Projekt an dem Beharren auf vorgegebenen „Regeln“ scheitert. Regeln müssen so gestaltet werden, dass ein solidarisches Europa möglich wird. Darauf muss die Linke in Europa permanent hinweisen und dafür mit entsprechenden Bündnispartnern werben. Europa braucht einen New Deal, das heißt, neue Spielregeln, damit die Finanzwirtschaft wieder der Realwirtschaft dient und nicht umgekehrt. Es geht darum europaweit eine Investitionsoffensive zu erreichen, die zur Gestaltung des Strukturwandels und zur Verbesserung der Lebensbedingungen führt.

(3) a.a.O.S.3