Pressemitteilung: Staufener Missbrauchsfall – systembedingtes Versagen

Pressemitteilung des Kreisverbandes der LINKEN Breisgau- Hochschwarzwald

 Kind © Kat Smith Pexels CCO

Staufener Missbrauchsfall“ – ein systembedingtes Versagen

Wie konnte es dazu kommen, dass gerade mal 3 Jahre nach der Tötung des Kindes Alessio wieder im Landkreis Breisgau- Hochschwarzwald solch ein schweres Verbrechen an einem Kind passiert, obwohl und während Gerichte und Jugendamt mit dem Fall befasst waren?

Man liest die Zeitungsberichte und fasst es nicht.

Da nimmt das Kreisjugendamt den kleinen Jungen in Obhut, da dessen Mutter eine Paarbeziehung mit einem rückfallgefährdeten pädosexuellen Straftäter eingegangen ist. Das Jugendamt hat also die Gefahr für das Kind klar erkannt. Die Mutter legt Widerspruch gegen die Inobhutnahme ein, und das Familiengericht und Oberlandesgericht geben der Mutter in 2 Instanzen recht: das Kind muss zur Mutter zurück unter der „Auflage“ eines Kontaktverbotes vom Lebensgefährten zum Kind und dem Verbot in die Mutter- Kind- Wohnung einzuziehen.

Wie um alles in der Welt soll denn eine Mutter den Kontakt ihres Partners zu ihrem kleinen Sohn, der komplett abhängig von ihr ist, verhindern, selbst wenn sie das wollte? Das könnte sie nur verhindern, wenn sie sich von ihrem Partner trennt! Aber davon war die Mutter ja weit entfernt. Im Gegenteil: Sie legte Widerspruch gegen die Auflagen des Familiengerichts ein. Spätestens das Oberlandesgericht, das den Fall in 2. Instanz verhandelte, hätte jetzt erkennen müssen, dass es dieser Mutter überhaupt gar nicht um den Schutz ihres Kindes geht!

Dann liest man mit großem Erstaunen, dass das Kreisjugendamt, nachdem es doch ursprünglich die schwere Kindeswohlgefährdung erkannt hatte, mit dem Beschluss des OLG einverstanden war – ja sogar selbst den „Vorschlag das Kind unter strengen Auflagen wieder an die Mutter zurückzugeben“ machte. (Stuttgarter Nachrichten vom 18.1.18 „Schwachstelle Familiengericht- gibt es blinde Flecken im System?“) Laut stellvertretendem Sozialdezernenten des Landratsamtes soll das als „Anregung“ gedacht gewesen sein (Stuttgarter Nachrichten, ebenda).

Geht es hier um die Realitätsferne oder um mangelnde Fachlichkeit einzelner Personen in den Behörden? Vielleicht auch. Bei dieser Anhäufung von Fehlentscheidungen im Zusammenspiel der Behörden könnte man das zumindest denken. Offenkundig ist jedoch der systemimmanente,  also nicht zufällige Anteil des staatlichen Versagens. Es fällt auf, wie schwer sich Kreisjugendamt und zuständige Gerichte tun, Kinder, deren Wohl stark gefährdet ist, schnell und nachhaltig zu schützen. Das im BGB verankerte Elternrecht – so scheint es – macht es schwer Kinder aus der Familie herauszunehmen und in staatliche Obhut zu geben. Das Recht der Eltern wurde im Staufener Fall und im Fall Alessio vor das Recht des Kindes gesetzt vor Missbrauch und Gewalt in der Familie geschützt zu werden.

Hier begegnet dem Bürger im Behördenhandeln der neoliberale Staat oder auch der sog. „schlanke Staat“. Jugendämter und Familiengerichte bevorzugen sog. „niederschwellige Angebote“ an ihre „Kunden“ und übersehen oft, dass die zu schützenden Kinder tot sein können bis sie ihre niederschwelligen Angebote durchprobiert haben.

In diesen Problemkreis  „ neoliberaler Staat“  gehört auch das Problem der fehlenden Fachaufsicht der Kreisjugendämter. Der Kreistag und Landrat sind das einzige Kontrollorgan für Kreisjugendämter. Dass Kreisräte keine wirkliche Fachaufsicht wahrnehmen können, ist evident. Dass sie, da öfter auch Bürgermeister von Kreisgemeinden  mit Rücksicht auf die Gemeindeumlage eher am Sparen als an teuren Jugendhilfemaßnahmen interessiert sind, versteht sich auch von selbst.

In Baden- Württemberg gibt es die Initiative Habakuk, die auch in Freiburg präsent ist. Sie versteht sich als Initiative für ein Ombudswesen in der Jugendhilfe, wird unterstützt von gemeinnützigen und privaten Wohlfahrtsverbänden und vom Land. Sie ist Teil eines Bundesnetzwerks für ein Ombudswesen in der Jugendhilfe und hat sich zum Ziel gesetzt dem Kinderschutz  im Rahmen der Jugendhilfe zur Umsetzung zu verhelfen.

Dies ist ein Ansatz in die richtige Richtung: mehr fachliche Kontrolle der Jugendämter und Familiengerichte!

Jugendämter sollten verpflichtet werden mit einem institutionalisierten Ombudswesen zusammenzuarbeiten!

Ein Verfahrensbeistand für Minderjährige in Fällen von Widerspruch der Sorgeberechtigten bei der Inobhutnahme nach §8a,§42 SGB VIII, der mit der Ombudsinstanz verpflichtend zusammenarbeitet!