Die Aktualität der Marxschen Theorie

Dr.Peter Behnen

WIE AKTUELL IST DIE MARXSCHE THEORIE?

Vor 150 Jahren erschien das Hauptwerk von Karl Marx „ Das Kapital.“ Für uns Linke ist die Frage sehr wichtig, ob die Wirklichkeit heute noch mit Marxschen Begriffen erklärbar ist. Insoweit ist der neuste Text von Joachim Bischoff u. a. „Vom Kapital lernen“ (VSA 2017) von großer Bedeutung, auch über die Bundestagswahl hinaus. Der Text zeigt, dass die Argumentation und die Begriffe von Marx bis heute nicht an Wichtigkeit verloren haben. In Verbindung mit dem immer wieder ausgetragenen Kampf und um die Regulierung des Normalarbeitsverhältnisses werden drei grundlegende Elemente des „ Kapital“ sichtbar:

1. Im Gegensatz zu allen anderen Ökonomen hat Marx den Mehrwert als grundlegende Kategorie herausgearbeitet.

2. Nur Marx hat den doppelten Charakter der Ware als Gebrauchswert und Wert und damit den doppelten Charakter der Arbeit aufgezeigt. Marx unterscheidet zwischen konkret-nützlicher Arbeit, die den Gebrauchswert schafft, und allgemeiner gesellschaftlicher Arbeit, die im gleichen Atemzuge den Wert der Waren schafft.

3. Marx stellt als erster Ökonom den Arbeitslohn als Erscheinungsform eines dahinter liegenden Ausbeutungsverhältnisses dar. Es ist der Gebrauchswert der Ware Arbeitskraft, der den Mehrwert für den Kapitalisten schafft, während durch den Arbeitslohn alle Arbeit als bezahlt erscheint.

Marx rückt also die Auseinandersetzung um den Arbeitstag und die Verteilung des Mehrwertes in den Mittelpunkt der Betrachtung. Insbesondere auch aus diesem Grunde konnte die Marxsche Theorie ihren Einfluss behalten. Die grundlegenden Verteilungskonflikte sind aktueller denn je und die technologische Entwicklung lässt eine neue Welle der Arbeitslosigkeit erwarten. Die kapitalistischen Grundstrukturen bleiben für die meisten heutigen Gesellschaften von großer Bedeutung.

Bischoff u. a. versuchen deswegen anhand einiger Themen die Aktualität der Marxschen Theorie deutlich zu machen.

Erstens wird der Frage nachgegangen, inwieweit die Geldbestimmungen bei Marx einen Leitfaden zur Analyse des heutigen Geld- und Währungssystems bieten können. Marx zeigt, dass mit der Entwicklung des Geldes aus dem Wert der Waren bzw. ihrer Zirkulation am Markt die entwickelten Formen des Wertes und die übergreifende Struktur des Gesamtsystems des Kapitalismus ableitbar sind.
Im Folgenden beschreibt Marx die Tendenz zur Verwissenschaftlichung der Produktion. Das ist nur möglich, weil sich der Kapitalist den Mehrwert aneignet und auf diese Weise die gesellschaftlichen Produktivkräfte in ungekannte Höhen treibt. Marx zeigt allerdings auch, dass der Mehrwert nicht nur eine Ausbeutungsform sondern auch eine Verteilungs- und Regulierungsform der gesellschaftlichen Arbeit darstellt.
Drittens bietet Marx einen Anknüpfungspunkt zur Analyse der Reproduktion und Akkumulation des heutigen Kapitalismus und damit zusammenhängend zur Analyse der Wirtschafts- und Finanzkrisen an. Er macht deutlich, dass im Kapitalismus permanent Wertrevolutionen stattfinden, die nur so lange keine Gefahr für den Kapitalismus darstellen als sich das Kapital problemlos verwerten kann. Je akuter und häufiger diese Wertrevolutionen jedoch werden, desto mehr wird der Lauf der normalen Produktion in eine anormale Spekulation hineingerissen.
Bischoff u .a. zeigen viertens, dass Marx im 2.Band des „Kapital“ die Zirkulation des Kapitals und seine verschiedenen Kreislaufformen behandelt. Dabei geht es Marx nicht um eine formelle Spielerei, sondern um einen wichtigen Zwischenschritt zur Darstellung des gesamtwirtschaftlichen Prozesses und zum Verständnis von oberflächlichen Erscheinungsformen der bürgerlichen Gesellschaft. Marx erweist sich als einer der ersten Ökonomen der Geschichte, die den Zusammenhang von Kreislaufformen des Kapitals und der Bewegung des gesellschaftlichen Gesamtkapitals begründen.
Bei der Ausarbeitung des „Kapital“ stößt Marx fünftens auf die Beobachtung, dass das konstante Kapital (Maschinen, Rohstoffe und alle weiteren Produktionsmittel) schneller wächst als das variable Kapital (Arbeitslöhne der Arbeitskräfte). Da der Mehrwert nur durch das variable Kapital geschaffen wird, kann Marx den sogenannten tendenziellen Fall der Profitrate entwickeln, was letztlich die Verwertungsbedingungen des Kapitals untergräbt.
Letzten Endes kann dadurch nachgewiesen werden, dass sich daraus erlahmende Wachstumskräfte, spekulative Blasen und gewaltige Krisen herausbilden. Damit wird eine wichtige Grundlage für das Ende des Kapitalismus eingeleitet. Es wächst das Problem der Verfügung über den gesellschaftlichen Reichtum und damit auch das entsprechende Problembewusstsein. Es hat in letzter Zeit eine zunehmende Bedeutung erlangt.