Mit Helikoptergeld aus der Krise?

von

Dr.Peter Behnen

Unter der Politik des Helikoptergeldes versteht man eine Zentralbankpolitik, die dazu dienen soll, durch eine Geldmengenausweitung die Wirtschaft anzukurbeln, eine Deflation zu bekämpfen und die Inflationsrate zu steigern. Das soll dadurch geschehen, dass die Zentralbank direkt an die Bürger Geld ausschüttet, ohne Zwischenschaltung der Banken aber mit Hilfe staatlicher Organe und dem Ziel, den Konsum der Bürger und die Investitionen der Unternehmen auszuweiten. Einen ähnlichen Gedanken findet man bereits bei J.M.Keynes. Keynes hatte in seiner „ Allgemeinen Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“ (1936) vorgeschlagen, Geld zu vergraben und es von Arbeitslosen ausgraben zu lassen und auf diese Weise die Beschäftigung zu fördern und damit auch den gesellschaftlichen Konsum. Dieser an sich groteske Gedanke sollte verdeutlichen, dass es zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise auf Beschäftigungsprogramme und die Stimulierung der Nachfrage ankomme. Das Bild des Helikoptergeldes stammt allerdings von Milton Friedman, dem Gottvater des Monetarismus und Vordenker einer neoliberalen Wirtschaftspolitik. Originalton Friedman:

 

„ Lasst uns annehmen, dass eines Tages ein Hubschrauber über die Gemeinde fliegt und zusätzlich 1000 Dollar in Form von Geldscheinen abwirft, die natürlich von den Bewohnern hastig eingesammelt werden.“ (1)

 

Friedman meint jedoch, im Gegensatz zu Keynes, die Geldmengenveränderung habe keinen Einfluss auf die Beschäftigung. Eine solche Geldmengenerhöhung habe auf lange Sicht nur Preiserhöhungen zur Folge. Bis heute ist in der Wirtschaftswissenschaft und Politik umstritten, welchen Einfluss zusätzliche Geldmengenerhöhungen tatsächlich haben. Verschiedene Ökonomen, auch in der Bundesrepublik, sind skeptisch bis ablehnend gegenüber der Helikopterpolitik. Für Jens Weidmann, den Präsidenten der Bundesbank, ist die Geldpolitik kein Allheilmittel und löse nicht die Wachstumsprobleme in Europa. Es seien notwendige Reformen in den Krisenländern vonnöten, wobei er freilich „Reformen“ wie Lohnsenkungen, Sozialabbau, Privatisierungen von Staatsvermögen etc. meint. Kritiker des Helikoptergeldes befürchten, die Bürger könnten sich daran gewöhnen, bei der nächsten Krise erneut Helikoptergeld zu verlangen. Sie würden eventuell verunsichert und es erfolge ein Vertrauensverlust gegenüber der Währung mit einer Hyperinflation als Folge.

Zu den Befürwortern des Helikoptergeldes gehört demgegenüber Marcel Fratzscher, seines Zeichens Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).   Er hält die Idee des Helikoptergeldes für sinnvoll (2) und sieht darin einen Beitrag zum Versuch, aus der Krise und Deflation herauszukommen. Fratzscher zeigt auf, dass die Banken das Geld, das ihnen die Europäische Zentralbank (EZB) als Zentralbankgeld zur Verfügung stellt, nicht bei Unternehmen und Bürgern als Kredite für Investitionen und Konsumgüter unterbringen. Er sieht besondere Probleme in Südeuropa, weil dort die Banken auf mindestens 200 Mrd. Euro faulen Krediten säßen und sie deshalb kaum noch Kredite an kleine und mittlere Unternehmen gäben. Durch die Umgehung von Banken komme das Helikoptergeld direkt beim Bürger an. Das müsse mit staatlicher Hilfe passieren, eventuell über die Finanzämter, die die Mittel an die Bürger weiterzuleiten hätten.

Aus linker Sicht kann man vielem zustimmen, was Marcel Fratzscher formuliert hat. Es ist richtig, dass die expansive Geldpolitik der EZB (Quantitative Easing) an ihre Grenzen gekommen ist. Nachdem die geldpolitische Lockerung( Niedrigzinsen, unbegrenzter Ankauf von Staatsanleihen) unzweifelhaft eine stabilisierende Wirkung für die Finanzmärkte hatte, zeigte sich jedoch bald, dass die EU-Staaten mehrheitlich, insbesondere die Bundesrepublik, nicht von ihrer Austeritätspolitik (Einschränkung von Staatsausgaben, Sparpolitik) abgehen wollten. In dieser Zeit hatte die EZB ihr wirtschaftliches Steuerungspotenzial enorm gesteigert und war zu einer Institution geworden, die neben der Erhaltung der Preisstabilität die Folgen der Finanzkrise im Auge hatte. Es zeigen sich jedoch jetzt die Grenzen dieser Politik. Die Grenzen bestehen u.a. darin, dass das neue Zentralbankgeld nicht zur Stimulierung der Investitionen und des Konsums führt sondern eher zum Boom an Börsen und Immobilienmärkten. Das kommt daher, weil im neoliberalen staatlichen Umfeld die Nachfrage auf den Warenmärkten unzureichend ist. Das ist auch der Grund, weshalb die expansive Geldpolitik der EZB nicht zur inflationären Entwicklung auf diesen Märkten führt. Nur wenn das Zentralbankgeld nachfragewirksam würde, könnte sich auch eine höhere Inflationsrate mit einer entsprechenden Ankurbelung der Konjunktur durchsetzen. Bei einer Nachfragesteigerung durch das Helikoptergeld ist das zweifelhaft, weil es sich hier nur um einen einmaligen Impuls handelt. Sollten allerdings Löhne und Staatsausgaben dauerhaft nach oben treiben, könnten auch dauerhaft Investitionen und Konsum stimuliert werden. Das erfordert allerdings eine Abkehr von der neoliberalen Wirtschafts- und Sozialpolitik und eine grundlegende Veränderung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse.

Die Schlussfolgerung sieht deswegen folgendermaßen aus:

Die geldpolitische Expansion und der Impuls durch das Helikoptergeld sind keine Allheilmittel, mit denen grundsätzlich Finanzmarkt- und Wirtschaftskrisen allgemein vermieden werden könnten. Sie sind jedoch Mittel für eine kurzfristige Krisenbekämpfung. Mittelfristig muss aber die Zentralbank eine Strategie verfolgen, die Vermögenspreisblasen (bei Wertpapieren und Immobilien) zu verhindern und es ist zusätzlich erforderlich, dass die staatlichen Organe strukturpolitisch in die Wirtschaftsordnung eingreifen. Dabei geht es nicht nur um staatliche Ausgabenprogramme sondern vor allem auch darum, dass der Staat eine Führungsrolle bei der Lenkung der Investitionen und bei der Herstellung zukunftsfähiger Wirtschaftsstrukturen übernimmt. Das ist eine ganz andere Perspektive als die Forderung, durch Helikoptergeld einen einmaligen Wirtschaftsimpuls zu setzen. (3)

 

(1) Milton Friedman: The Optimum Quantity of Money, 2005.

     www.wikipedia.org/wiki/Helikoptergeld.

(2) Siehe Badische Zeitung vom 19.4.16 S.15

(3) Siehe insbesondere: Stephan Krüger, Wirtschaftspolitik und Sozialismus, VSA-Verlag, Hamburg 2016.