Ein modernes Märchen.

von

Dr.Peter Behnen

Märchen sind u.a. dadurch gekennzeichnet, dass Menschen häufig in Gestalt von Tieren auftreten, um den Unterschied von dem Guten und Bösen, dem Schönen und Hässlichen etc. darzustellen. Meistens obsiegt das Gute und Schöne, wodurch die heile Welt wieder hergestellt wird. Ähnliches gilt auch für die Geschichte „ Oh, wie schön ist Panama“ von Janosch, die Kinder millionenfach begeistert hat.

 

Panama, das zeigt die neueste Entwicklung, ist aber heute ein El Dorado für viele Unternehmen und reiche Privatpersonen. Die sogenannten „Panama- Papers“ haben gezeigt, dass dort viele Briefkastenfirmen registriert sind, die auch von aktuellen und ehemaligen Staatschefs, weiteren Spitzenpolitikern und Prominenten eingerichtet wurden. Diese Briefkastenfirmen dienen in vielen Fällen dazu, Steuern zu hinterziehen und Geld zu waschen. Das war offensichtlich für die Anwaltskanzlei Mossack Fonseca ein einträgliches Ge-schäft, denn sie „betreute“ die Firmen. Briefkastenfirmen sind grundsätzlich legal, das heißt, dass in den Firmen nicht nur hinterzogene Steuern gelagert werden. Solche Firmen kommen zum Einsatz, wenn der Anleger, zum Beispiel US-Firmen, Gewinne im Ausland bunkern will. Viele Töchter von US-Firmen machen hohe Gewinne im Ausland, sodass diese aus steuerlichen Gründen nicht in die USA transferiert werden sondern im Ausland verbleiben, wo die Steuersätze häufig geringer sind. Davon zu unterscheiden sind die Gelder, die ganz verschwunden und damit auch ganz der Steuer entzogen sind. Der Öko-nom Gabriel Zucman versuchte, dem weltweiten Finanzvermögen auf die Spur zu kommen. Er gibt das weltweite Finanzvermögen für 2013 mit 73 Billionen Euro an. Von dieser Summe liegen etwa 8%, also 5,8 Billionen Euro, auf Konten in Steueroasen. Die wichtigsten Steueroasen sind die Schweiz, die USA, Hongkong, Singapur und die Cayman Inseln. Nach Schätzung der Nicht-regierungsorganisation Justice Network (TJN) betragen die Steuereinnah-men, die durch die Steueroasen verloren gegangen sind, weltweit etwa 225 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Was die Bundesrepublik angeht, so schätzen Experten, dass etwa 400 Mrd. Euro deutsche Gelder in den Steueroasen lie-gen. Heiner Flassbeck, den ehemaligen Chef-Volkswirt der UNCTAD, wundert das nicht, weil jahrelang die etablierte Politik nichts anderes zu tun hatte, als angeblich zu hohe Steuersätze der Unternehmen und reichen Privatleute zu beklagen und es ihr gelang, die Steuern für dieses Klientel zu senken. Dann brauche man sich auch nicht wundern, wenn diese Leute die Steueroasen Panama etc. ausnutzen. Er hält es auch für scheinheilig, wenn gerade die etablierte Politik heute die Rolle der Banken kritisiert, wobei doch jeder wisse, dass es ein wichtiges Geschäftsfeld der Banken sei, Reichen dabei zu helfen, ihr Kapital gewinnträchtig unterzubringen. Außerdem sei es bis heute offizielle Politik geblieben, Finanzdienstleistern mit Steuergeldern die Existenz zu sichern und die Fiktion zu unterstützen, Finanzmittel sollten und könnten in aller Welt rentierlich angelegt werden.

 

Was sind die Konsequenzen aus der neuen Diskussion um die Steueroasen?

 

Bundesfinanzminister Schäuble hat einen 10-Punkte-Plan vorgelegt. Auffal-lend ist, dass das Problem weitgehend auf die internationale Ebene verscho-ben wird. Es wird von Panama verlangt, dass es international kooperieren und dem in internationalen Informationsaustausch beitreten soll. Andernfalls müsse Panama, was die Finanzgeschäfte angeht, international geächtet wer-den. „Schwarze Listen“ sollten für einheitliche Kriterien bei der internatio-nalen Steuerhebung sorgen. Banken werden aufgefordert, in Zukunft nicht mehr die Rechtsrisiken einzugehen, die sie bei der Beihilfe zur Steuerhin-terziehung eingingen. Unternehmen müssten noch stärker wegen der Geld-wäsche kontrolliert werden und die Überwachung sei effizienter zu orga-nisieren. Insgesamt komme es darauf an, sich besser mit den europäischen Partnern und der OECD abzustimmen.

Auf die Vorschläge von Schäuble haben selbst konservativ orientierte Medien zurückhaltend bis ablehnend reagiert. Es wird kritisiert, dass Schäuble auch in Zukunft Briefkastenfirmen nicht verbieten will sondern im Wesentlichen auf Transparenz und internationale Kooperation setzt. Auf den automatischen internationalen Datenaustausch zu vertrauen sei kein Hinweis darauf, dass das Problem zügig und konsequent angegangen werde.

Das Netzwerk Steuergerechtigkeit weist auf mehrere Schwachstellen der augenblicklichen Steuerpolitik hin. Das Netzwerk, das aus verschiedenen Nichtregierungsorganisationen besteht, hat es sich zur Aufgabe gemacht, sich für gerechte, solidarische und ökologisch orientierte Steuer- und Finanz-systeme einzusetzen. Es stellt fest, dass weder Großbritannien noch die USA, zwei wichtige Finanzzentren, bisher viel Bereitschaft zeigen, an einem auto-matischen Informationsaustausch von Bankdaten teilzunehmen. Schlimmer noch ist aus Sicht des Netzwerkes die Möglichkeit, auch in den USA anonyme Briefkastenfirmen zu gründen. Das gilt besonders für die Staaten Delaware, Nevada und Wyoming. Hinter einer Konstruktion von Treuhändern sind die wahren Eigentümer für Steuerbehörden nicht zu ermitteln. Auch in Deutschland gibt es ein ähnliches Problem. Wer eine Aktiengesellschaft ins deutsche Handelsregister eintragen lässt, muss keine natürliche Person als Eigentümer angeben. Ähnlich verhält es sich mit der Eintragung in Grundbücher. Es genügt auch hier eine juristische Person. Das bietet die Chance, Geld aus dubiosen Quellen in Firmen oder Immobilien fließen zu lassen. Eine weitere Schwachstelle in Deutschland ist das System der Steu-ererhebung. Die Steuerbehörden, Prüfung und Fahndung, leiden unter ex-tremen Personalmangel. Da die Finanzverwaltungen Sache der Bundes-länder sind, entsteht zwischen den Ländern  eine Art Steuerkrieg, bei dem gezielt um Firmen und reiche Privatleute mit Hinweis auf die laxe Steuer-prüfung geworben wird. Hier ist es nach Auffassung des Netzwerkes Steuergerechtigkeit notwendig, dass die Steuerfahndung beim Bund angesiedelt wird.

Heiner Flassbeck sieht das Problem grundsätzlicher. Er plädiert dafür, eine normale Besteuerung für Unternehmen und reiche Privatleute durchzu-setzen. Die neoliberale Politik habe nichts gebracht, das heißt, die Absen-kung des Spitzensteuersatzes bei Privaten und der Körperschaftssteuer bei Unternehmen habe keine Investitionsoffensive hervorgerufen. Im Gegenteil, es wird weiter an der sogenannten „ schwarzen Null“ festgehalten und damit der Steuersenkungswettbewerb national und international. Das führt dann auch zur Jagd des anlagesuchenden Kapitals in noch nicht besetzte Nischen.

Die Forderung der Linken, die Steuerhinterziehung und die Steuerflucht wirksam zu bekämpfen, muss verbunden werden mit der Forderung, massive öffentliche Investitionen im Wohnungsbau, in der Bildung, in die Umwelt und bei der Rente und Pflege etc. zu tätigen und somit einen Kurswechsel in der offiziellen Wirtschafts- und Sozialpolitik durch-zuführen. Nur so wird sich, ähnlich wie im Märchen, das Gute und die Gerechtigkeit durchsetzen. Das ist allerdings mehr als die Verkündung

von moralischen Appellen sondern ein Plädoyer für eine anti-neoliberale Politik bei uns und weltweit.