Europa,die Flüchtlingspolitik und linke Positionen.

von

Dr.Peter Behnen

Der Flüchtlingsstrom nach Europa ebbt nicht ab. Deshalb ergreifen immer mehr Regierungen der europäischen Mitgliedsstaaten Maßnahmen, den Zustrom zu begrenzen bzw. ganz zum Erliegen zu bringen. In den meisten EU-Ländern konzentriert man sich darauf, durch Hindernisse und gesetzliche Hürden den Zustrom zu stoppen. Manche Länder bauen Zäune und manche Länder schieben die Zufluchtsuchenden einfach in andere Mitgliedsländer weiter. In der Bundesrepublik reagierte die Regierung Merkel mit einer groß angelegten „Willkommenskultur“, die durch viele freiwillige HelferInnen getragen wurde. Inzwischen schlägt aber auch bei uns die öffentliche Stimmung um, angeheizt durch die rechtspopulistische AFD und rechtskonservative Kräfte in der CDU/ CSU. Viele Schutzsuchenden werden in sogenannte „sichere Herkunftsländer“ zurückgeschickt, es werden Obergrenzen für die Flüchtlingsaufnahme formuliert, der Nachzug von Familienangehörigen wird erschwert, das Asylrecht wird verschärft etc. Immer mehr Regierungen der EU-Staaten führen Pass- und Zollkontrollen an ihren Grenzen zu anderen EU-Staaten ein. Das bedeutet eine faktische Aufhebung des Schengen-Abkommens. Die Regierung Merkel und vor allem die Kanzlerin selbst bleiben bisher bei ihrer Position, dass die Flüchtlingsfrage ein europäisches Problem sei und auch europäisch zu lösen sei. Die Kanzlerin gerät deswegen unter massiven Druck des rechtskonservativen Flügels ihrer Partei. Auch führende Sozialdemokraten üben inzwischen deutliche Kritik an ihrer Flüchtlingspolitik. Eine wesentliche Grundlage ist der Stimmungsumschwung bei der Mehrheit der Bundesbürger und Bundesbürgerinnen. Es wird bezweifelt, dass Deutschland die Flüchtlingsproblematik bewältigen kann, so dass die Unionsparteien an Zustimmung verlieren und die AFD auf zweistellige Wahlergebnisse zusteuert.

Wie positioniert sich „Die Linke“ in dieser Situation?

Für die Leitmedien aber auch beispielsweise die Tageszeitung (TAZ) werden Äußerungen der Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht besonders herausgestellt. Originalton Wagenknecht: „ Ich finde es nicht lobenswert, was sie macht, ihr „ wir schaffen das.“ Da haben dann ja auch manche Linke gesagt, ja, das ist ein guter Zug von ihr… Ich finde, dass im Kontext dessen, was sie real macht, überhaupt keinen guten Zug.“ Auch ihre Äußerung „ wer Gastrecht missbraucht, der hast Gastrecht verwirkt“ hat in der Linken für Irritationen gesorgt. Die TAZ bezeichnete Sahra Wagenknecht deswegen in einer Schlagzeile auf der Titelseite „ Die Rechte unter den Linken.“
Die Reaktion aus der Partei „Die Linke“ gegenüber den Äußerungen von Wagenknecht war überwiegend kritisch. Axel Troost beispielsweise entgegnete: „ Es geht nicht darum, ob PolitikerInnen aus dem bürgerlichen Lager eine Gutmenschen-Tour inszenieren. Sondern es geht um die Bewertung, ob die EU-Mitgliedsländer mit einem europäischen Flüchtlingsproblem konfrontiert sind und ob es dafür auch eine europäische Antwort geben kann und muss.“ Troost betrachtet zu Recht einen Rückfall in nationalstaatliche „Lösungen“ einen Rückschritt und eine gesellschaftliche Katastrophe. Gregor Gysi fordert deswegen ein linkes Projekt, das die Rechtsentwicklung in Europa und der Bundesrepublik stoppen muss, ebenso wie Klaus Ernst die Linke auffordert, mit einer linken Sammlungspolitik den europäischen Sozialstaat, die europäische Demokratie und den Frieden in Europa zu verteidigen. Ähnlich äußerten sich Petra Sitte u.a.: „Wer angesichts der Erfahrungen von Syriza, der portugiesischen Linken, von Podemos in Spanien oder r2g in Thüringen oder Brandenburg heute meint, dass es allemal besser sei, in Opposition zu verharren und auf gesellschaftliche Mehrheiten für was anderes zu warten, der ist heute nicht radikal links.“ Dabei ist anzumerken, dass es augenblicklich nicht vorrangig um eine Frage der Regierungsbeteiligung geht. Es muss durch die Linke deutlich gemacht werden, dass auf die Flüchtlingsfrage eine europäische Antwort zu geben ist. Dabei geht es vor allem um gesamteuropäische Finanzierungsregelungen für UN-Hilfsorganisationen und eine Unterstützung der Hilfe in den Krisengebieten. Radikal sein, das heißt an die Wurzel des Problems gehen, bedeutet auch, eine europäische Friedenspolitik in den Konfliktgebieten zu entwickeln. Wenn der Aufstieg des Rechtspopulismus gebremst werden soll, kommt es darauf an, in Europa alternative Lösungen für das schwache Wirtschaftswachstum, die unsozialen Verteilungsverhältnisse und den Niedergang der öffentlichen Infrastruktur durchzusetzen. Das Wachstum des Rechtspopulismus ist wesentlich darauf zurückzuführen, dass die unteren Mittelschichten befürchten, durch höhere Ausgaben für Flüchtlinge werde ihre Situation beim Kampf um bezahlbaren Wohnraum, bessere Bildungs-angebote und Arbeitsplätze verschlechtert. Alternative europäische und nationale Entwickungs- und Investitionsprogramme müssen deswegen sichtbar machen, dass sowohl für Inländer als auch Schutzsuchende eine gesicherte wirtschaftliche und soziale Perspektive erreicht werden soll. Die Linke muss zum Motor eines solchen Politikwechsels werden. der gegen die Eliten in Wirtschaft und Politik durchzusetzen ist. Dabei kann Griechenland nicht als Beispiel für die Aussichtslosigkeit eines solchen Unterfangens gelten, wie u.a. Sahra Wagenknecht meint. Aus ihrer Sicht gibt es ohne einen Plan B in Europa, das heißt ohne eine Beendigung der Wirtschafts- und Währungsunion und einen nationalstaatlichen Neustart keine linke Politik.
Dem ist entgegenzuhalten, dass es gerade Griechenland ist, das der europäischen Hilfe bedarf, weil es das EU-Land ist, welches die größten wirtschaftlichen Probleme aufweist und auch am stärksten durch die Flüchtlingskrise betroffen ist. Griechenland benötigt technische und wirtschaftliche Hilfe und einen deutlichen Schuldenerlass zur Bewältigung der Flüchtlingskrise und zur Erweiterung der Spielräume für innergriechische Reformen. Trotzdem will die Regierung Merkel keine Abkehr von der neoliberalen Sanierungspolitik ins Auge fassen. Das macht deutlich, dass der Kampf gegen diese Sanierungspolitik auch ein wichtiger Schlüssel zur Lösung des Flüchtlingsproblems ist. Dass die politischen Kräfteverhältnisse in Europa und speziell im Europäischen Rat verändert werden können, dazu bedarf es vor allem des Kampfes in den wettbewerbsstarken EU-Ländern gegen die neoliberale Politik. Das ist aber ganz andere Blickrichtung als die gefährliche Absage an die Wirtschafts- und Währungsunion und eine Plädoyer für einen nationalstaatlichen Neustart. Nicht ein weniger sondern ein mehr an einem demokratischen und sozialen Europa mit dem Fernziel eines nichtkapitalistischen Europa muss das Ziel linker Politik sein.