EIN GESPENST GEHT UM IN EUROPA.

von

Dr.Peter Behnen

 

Dieses Gespenst ist die wachsende Kritik am Neoliberalismus der Währungsunion. Nachdem Griechenland unter der Regierung Tsipras aufbegehrte und nur durch Zwangsmaßnahmen der EU bei der Stange gehalten werden konnte, scheint nun der eigentliche „Musterschüler“ Portugal ebenfalls ausscheren zu wollen. Die bisherige Mitte-Rechts-Koalition von Pedro Coelho wurde am 4.Oktober 2015 bei der Parlamentswahl in Portugal abgestraft, sie verlor 13% der Wählerstimmen. Nachdem Portugal im Mai 2011 einem „Hilfsprogramm“ der Gläubiger-Troika (EU, EZB und IWF) zugestimmt hatte, hatte sich die Regierung Coelho zu harten Sparmaßnahmen verpflichtet. Diese Austeritätspolitik war in Portugal auf scharfe Kritik gestoßen. Knapp 600.000 Menschen verloren ihren Arbeitsplatz, etwa 200.000 Jugendliche verließen aus Perspektivlosigkeit ihr Land, die Löhne sanken um 20%, die Renten wurden gekürzt und die Steuerbelastung stieg insbesondere durch die Mehrwertsteuererhöhung bei den unteren und mittleren Einkommensgruppen. 20% der Erwerbstätigen verdienen nur noch den Mindestlohn von 505 Euro, ein Viertel der Bevölkerung lebt an der Armutsgrenze.
Vor diesem Hintergrund verlor die Regierung Coelho die absolute Mehrheit im Parlament. Ihr Bündnis „Portugal a` Frente“ (PAF) erhielt nur noch 36,8% der Wählerstimmen gegenüber 50,4% im Jahre 2011. Die zweitstärkste Kraft wurde die Partido Socialista (PS) mit 32,3% der Wählerstimmen. Die PS, mit Antonio Costa an der Spitze, schmiedete zusammen mit dem Linksblock, der sich an der griechischen Syriza orientiert, und der kommunistisch-grünen Allianz( CDU) ein Bündnis, dass die absolute Mehrheit im Parlament auf sich vereinigen konnte. Trotzdem beauftragte Präsident Silva seinen Parteifreund Coelho mit der Regierungsbildung. Er machte damit deutlich, dass er vor der Macht der Finanzmärkte zurückweicht und eine Linksregierung nicht installieren möchte. Er befürchtet, dass eine linke Regierung, ähnlich wie Syriza, einen Konfrontationskurs gegen die EU einleiten würde. Die Leitmedien, vor allem auch deutsche, begrüßten diese undemokratische Verhaltensweise. Eine Regierung, die den Neoliberalismus der Währungsunion ablehnte, sollte aus ihrer Sicht nicht gebildet werden. Mit seinem undemokratischen Coup verhinderte Präsident Silva zunächst die Bildung einer Linksregierung in Portugal, die Opposition prophezeite jedoch, dass diese Regierung keine Zukunft habe.

Das wurde schnell deutlich, indem die linken Parteien Ferro Rodrigues (PS) zum neuen Parlamentspräsidenten wählten und der Kandidat der Konservativen, Fernando Negrao, durchfiel. Inzwischen stimmten die linken Oppositionsparteien mit ihrer parlamentarischen Mehrheit für die Beendigung des Austeritätskurses der Regierung Coelho, lehnten also sein Regierungsprogramm ab und verbannten ihn nach 11 Tagen Regierungszeit auf die Oppositionsbank. Die Linksallianz präsentierte ein gemeinsames Arbeitsprogramm und damit überwanden Sozialisten und Kommunisten erstmals, wenn auch sehr pragmatisch, ihre schon lange andauernden historischen Gegensätze. Das gemeinsame Programm sieht eine Abkehr vom bisherigen Kurs der Regierung Coelho vor. Es sollen die Lohn- und Rentenkürzungen sowie Privatisierungen beendet und der Mehrwertsteuersatz wieder abgesenkt werden. Der Mindestlohn soll auf 600 Euro angehoben und für Arme ein Sozialstromtarif eingeführt werden. Durch die Steuerprogression sollen höhere Einkommen stärker zur Finanzierung öffentlicher Ausgaben herangezogen werden.

Insgesamt zeigt sich, dass nach dem Aufstieg von Syriza in Griechenland und Podemos in Spanien auch in Portugal die Verhältnisse in Bewegung kommen. Es besteht die Chance, dass damit ein weiteres EU-Mitglied die Austeritätspolitik in Frage stellt. Spanien und Irland könnten in den nächsten Monaten folgen und das Gespenst der Kritik am Neoliberalismus in Europa weitere Kreise ziehen. Es ist allerdings zu hoffen, dass das nicht nur ein Gespenst bleibt sondern in Gesamteuropa auf Dauer eine solidarische Politik betrieben und eine Art New-Deal-Politik mit einer Investitionsoffensive in die öffentliche Infrastruktur eingeleitet wird. Das muss nicht nur für die Südländer sondern auch für die Kernländer Europas gelten.