Zerbrechen die EU und die Europäische Währungsunion?

von

Dr.Peter Behnen

Das Beispiel Griechenland und der Umgang mit der Regierung Tsipras haben gezeigt, dass innerhalb der EU bzw. der Währungsunion der Vorrat an Gemeinsamkeiten deutlich aufgebraucht ist. Das hatten sich führende Vertreter der europäischen Politik nach dem 2.Weltkrieg und dem Ende des deutschen Faschismus anders vorgestellt. Originalton Winston Churchill im Jahre 1946: „ Wenn Europa einmal einträchtig sein gemeinsames Erbe verwalten würde, dann könnten seine drei- oder vierhundert Millionen Einwohner einen Wohlstand und einen Ruhm ohne Grenzen genießen…Wir müssen eine Art Vereinigten Staaten von Europa schaffen.“(1) Knapp 70 Jahre später sind wir noch weit von den Vereinigten Staaten von Europa entfernt. Im Gegenteil, es besteht die Gefahr, dass sogar die ökonomische Integration zusammenbricht. Diese Integration wurde 1957 als Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) begonnen, der gemeinsame Binnenmarkt wurde schließlich 1992 erreicht. Seit 1999 startete die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) mit der Einführung des Euro als gemeinsamer Währung, ohne dass eine politische Union geschaffen worden war. Inzwischen haben sich 28 europäische Staaten zur EU zusammengeschlossen, zu einem Staatenbund also und nicht zu einer politischen Union. 19 Staaten von diesen EU- Staaten haben inzwischen den Euro als gemeinsame Währung eingeführt, als vorerst letztes Land Litauen am 1.1.2015. Die EU basiert auf keiner Verfassung sondern auf einem Vertragssystem, welches nur mit Zustimmung aller 28 Länder abgeändert werden kann. Es ist inzwischen kaum mehr eine gemeinsame Politik möglich, es gibt keine gemeinsame Außenpolitik, gemeinsame Verteidigungspolitik und eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik kommt nur mit Zwangsmaßnahmen der wirtschaftsstarken Mitglieder, vor allem der Bundesrepublik, zustande. Es gelingt nicht einmal mehr, ankommende Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak, Afghanistan und den Balkanstaaten vernünftig auf die EU-Länder zu verteilen.

Die Währungsunion, die 1999 begann, ist inzwischen harten Zerreißproben ausgesetzt. Mit der Tatsache, dass schon damals die Leistungsfähigkeit der beteiligten Länder sehr unterschiedlich war, war die Ersetzung des Europäischen Währungssystems( EWS) mit den durch Auf- und Abwertungen korrigierbaren Wechselkursen durch eine gemeinsame Währung unsinnig. Darauf hatten Ökonomen verschiedener Theorierichtungen frühzeitig hingewiesen. Nur eine staatliche Union mit einer gemeinsamen Wirtschafts-Finanz-und Geldpolitik sowie einer entsprechenden Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik hätte mit einer gemeinsamen Währung ausgestattet werden dürfen. Da das nicht geschah, forderten viele Ökonomen eine unabhängige Zentralbank und strenge Beitrittskriterien zur Währungsunion. Es zeigte sich jedoch bald, dass durch die sogenannte innere Abwertung (z.B. niedrige Lohn- und Sozialkosten) die Wettbewerbsfähigkeit der Euroländer immer weiter auseinanderklaffte, weil die Möglichkeit der äußeren Abwertung bzw. Aufwertung nicht mehr gegeben war. Länder wie zum Beispiel Irland, Zypern, Spanien, Portugal und Griechenland waren nicht in der Lage, dem Wettbewerbsdruck, u. a. durch die Bundesrepublik, zu widerstehen. Diese Länder mussten sich zum Ausgleich ihrer Leistungsbilanzen in der Regel bei privaten Banken hoch verschulden. Sie kamen unter den sogenannten „Rettungsschirm“ der EU und erhielten Kredite, häufig zur Ablösung der privaten Kredite, gegen strenge Auflagen. Diese Auflagen bestanden in der Regel darin, Lohnkürzungen, Sozialkürzungen und Privatisierungen öffentlichen Eigentums vorzunehmen. Griechenland versuchte, nach einer humanitären Katastrophe, mithilfe der Regierung Tsipras den strengen Auflagen zu entkommen. Deswegen bestand die Gefahr, dass Griechenland die Eurozone verlassen musste. Auch in Teilen der Linken, sogar in der Syriza selbst, entstand die Diskussion, dass das Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone (Grexit) die bessere Alternative sei als die Auflagen der inzwischen staatlichen Gläubiger zu erfüllen. Ein Grexit wäre aber mit erheblichen sozialen und politischen Verwerfungen in Griechenland verbunden gewesen (2). „ Das Problem ist nur, dass diese Diskussion viel zu kurz greift. Wichtiger als die Überlegungen, ob ein Grexit stattfinden soll oder nicht, ist die Grundsatzfrage, ob die Währungsunion in der bestehenden Form überhaupt überleben kann.“ (3) Die Antwort bei vielen Ökonomen ist ein klares „Nein“. Der EU fehlen alle Voraussetzungen für einen optimalen Währungsraum, das heißt, dass immer wieder mit ähnlichen Problemen zu rechnen ist wie im Falle Griechenland. Die ökonomischen Verhältnisse in z.B. Spanien, Portugal oder auch osteuropäischen Euroländern werden über kurz oder lang wieder Konflikte hervorrufen. Neoliberal geführte EU-Länder werden immer wieder die gleichen „Lösungsansätze“ durchzusetzen versuchen. Deswegen gilt:

„ Die Zukunft der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion hängt maßgeblich von einem überzeugenden Konzept zur Überwindung der ökonomischen und sozialen Ungleichgewichte durch eine wirtschafts- und finanzpolitische Koordination ab. Die aktuellen Reparaturmaßnahmen sind völlig unzureichend. Die Eurozone findet nur aus der Krise durch eine Politik, die vor allem den südeuropäischen Ländern die Chance eröffnet, wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen.“ (4)

Das geht nur, wenn Gesamteuropa eine solidarische Politik betreibt und eine Art New-Deal-Politik eröffnet. Eine Investitionsoffensive ist erforderlich, nicht nur in den Krisenländern sondern auch in den Kernländern Europas. Die marode öffentliche Infrastruktur wird gerade jetzt sichtbar, wenn es um die Integration von Schutzsuchenden geht. Auch in den Kernländern sind massive Investitionen in Bildung, Kinderbetreuung, Pflegedienste, sozialen Wohnungsbau etc. etc. dringend nötig. Der Versuch, die politische Strategie des Kaputtsparens der Bundesrepublik auch auf andere Länder zu übertragen, ist gescheitert. Die Öffnung der Sozialsysteme für die Finanzmärkte und die Privatisierung öffentlichen Eigentums haben zur Verschärfung sozialer Ungleichheit, höherer Instabilität des Finanzwesens und damit auch der wirtschaftlichen und politischen Systeme geführt. Die Rückkehr zur nationalen Währung und zur nationalen Ökonomie sollte die Strategie des Rechtspopulismus bleiben. „ Die Alternative zu weniger Europa ist mehr Europa, aber anders- ein demokratisches und soziales Europa.“ (5) Sollte das nicht gelingen, ist damit zu rechnen, dass die Europäische Währungsunion und auch die EU insgesamt auf Dauer zerbrechen.

(1) www.gutezitate.com/ zitat/ 167098
(2) Bischoff,Radke: „Isch over?“ Griechenland und die Eurozone, Hamburg 2015, S.123ff
(3) a.a.O. S.143
(4) a.a.O. S.144
(5) a.a.O. S.145