Grexit- ein gangbarer Weg zur Lösung der Eurokrise?

von Dr.Peter Behnen

Die Lage von Griechenland in der Eurozone spitzt sich vehement zu. Inzwischen wird offen über einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone diskutiert (Grexit). Das Thema ist bis zur Satire vorgedrungen und scheint seinen Schrecken verloren zu haben. Einen großen Anteil an dieser Situation in der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit haben die Medien. Es existiert in der Öffentlichkeit eine Mischung aus Ressentiments gegenüber dem griechischen Volk und Desinteresse gegenüber den Folgen einer griechischen Insolvenz. Die Bild-Zeitung und zum Teil auch andere Medien haben eine Kampagne gegen weitere Zahlungen an Griechenland durchgeführt, ein durchschlagender Erfolg im Sinne dieser Medien hat sich allerdings nicht eingestellt. 67 Prozent der Bundesbürger sprechen sich weiterhin für den Verbleib Griechenlands in der Eurozone aus, nur 27 Prozent wollen einen Grexit. Allerdings bestehen 41 Prozent der Bundesbürger darauf, dass Griechenland sämtliche Forderungen der EU erfüllt. Dass das ein Widerspruch ist wird nicht erkannt. 19 Prozent der Deutschen befürworten einen Schuldenschnitt, die große Mehrheit der Bevölkerung meint, Griechenland müsse seine Schulden in vollem Umfang zurückzahlen.

In diesen Zahlen drückt sich eine erhebliche Unsicherheit und auch Unwissenheit über die Ursachen und Lösungsmöglichkeiten der griechischen Schuldenkrise aus. Von einer aufklärenden Berichterstattung über Zusammenhänge und Hintergründe der Krise kann nur seltener gesprochen werden. Es ist kaum bewusst, dass die griechische Ökonomie seit 2008 um 26 Prozent geschrumpft ist und inzwischen eine humanitäre Katastrophe eingetreten ist. Die Sparauflagen der Troika haben einen Großteil der Bevölkerung in die Armut befördert, während die Gelder der Troika zu 90 Prozent an die privaten Gläubiger Griechenlands geflossen sind. Die Regierung Tsipras für diese Entwicklung verantwortlich zu machen ist absurd. Dass der Grexit bei den politischen Eliten Europas seinen Schrecken verloren hat liegt vor allem daran, dass die Verflechtung der griechischen Ökonomie mit Europas Wirtschaft gering ist und das Ziel der Troika, private Gläubiger Griechenlands weitgehend zu entlasten, erreicht ist. Ob ein Grexit Sinn macht, ist quer durch die politische Landschaft umstritten. Das gilt sowohl für konservative bis reaktionäre Parteien als auch für sozialdemokratische und linkssozialistische Parteien einschließlich Syriza selbst. Klar ist jedenfalls, dass sich 74 Prozent der befragten Griechen für den Verbleib in der Eurozone ausgesprochen haben. Es ist deshalb von großer Wichtigkeit, von einer linken Position aus vor dem Austritt Griechenlands aus der Eurozone zu warnen.

1. Mit dem Grexit würde für die Griechen eine verschärfte humanitäre Katastrophe ausgelöst werden. Die meisten Exitbefürworter übersehen die inflationäre Wirkung für ein Land, das 48 Prozent seiner Lebensmittel und 82 Prozent seiner Energie aus dem Ausland bezieht. Eine abgewertete Drachme würde ebenfalls bei Arzneimittel und industriellen Ersatzteilen eine gewaltige inflationäre Entwicklung hervorrufen.

2. Das Potenzial der Landwirtschaft und des Tourismus, die eigentlichen Exportbereiche Griechenlands, das durch die Rückkehr zur Drachme erweitert werden könnte, ist allerdings nicht in der Lage, Griechenland aus der Krise zu ziehen. Verschiedene Ökonomen erwarten ein weiteres Schrumpfen der griechischen Realwirtschaft, die optimistischen Annahmen liegen bei 10 Prozent. Da kein relevanter Exportsektor existiert, würde sich das Defizit der Handelsbilanz vertiefen, eine weitere Minderung der Realeinkommen und eine weiter steigende Arbeitslosigkeit wären vorprogrammiert und somit auch ein Verschärfung der humanitären Katastrophe.

3. Auch das Schuldenproblem würde mit dem Grexit nicht gelöst werden sondern eher verschärft. Alle Zahlungsverpflichtungen in Euro würden massiv aufgewertet. Die Folge wäre eine Zunahme der Staatsschulden und auch der Schulden von Unternehmen. Weitere Insolvenzen an sich lebensfähiger Unternehmen und Arbeitsplatzverluste wären die Folge.

4. Ein nicht zu vernachlässigendes Problem ist im politischen Bereich angesiedelt. Ein noch instabileres Griechenland würde zur Instabilität Europas beitragen, die geopolitische Konstellation mit der Türkei problematischer gestalten und auch die Lösung des Flüchtlingsproblems in Europa erschweren.

Die Frage ist also, was als Alternative zum Grexit von einer linken Position aus vorzuschlagen ist?

Das Kernproblem ist, den Schrumpfungsprozess der griechischen Realökonomie aufzuhalten und mit einer Erneuerung des privaten und öffentlichen Kapitalstocks ein sozial-ökologisches Wachstum zu erreichen. Dazu ist es notwendig, dass Griechenland von seinen Gläubigern die Möglichkeit eines Neustarts erhält. Dazu gehört auch, dass die Politik des Totsparens beendet wird. Die Chance besteht darin, dass die Gelder der Gläubiger in eine Investitionsoffensive fließen. Ein solcher Politikwechsel böte auch anderen Krisenländern eine entsprechende Alternative. In Griechenland ist ferner ein radikales Reformprogramm notwendig. Es müssen Reformen sein, die dem Land auch wirklich weiterhelfen und nicht den ökonomischen und sozialen Abstieg befördern. Es muss vor allem darum gehen, einen effektiven öffentlichen Dienst mit einer strikten Steuerdisziplin zu erreichen. Steuerbetrug, Korruption und Klientelwesen sind offensiv anzugehen und damit auch die humanitäre Katastrophe Schritt für Schritt zu bekämpfen. Kapitalverkehrskontrollen sind dann durchzuführen, wenn es nicht gelingt, den Abzug von Einlagen aus Griechenland und ihre Verlagerung ins europäische oder außereuropäische Ausland zu stoppen. Eine Regulierung des Bankensystems und die Verpflichtung, bevorzugt inländische, demokratisch kontrollierte, Investitionsprojekte zu finanzieren, soll verhindern, dass griechische Besitzbürger, die ihre Euros in der Schweiz, London oder Berlin geparkt haben, schnelle Profite auf Kosten der Allgemeinheit erzielen können. Das gilt auch für ausländische Unternehmen und Fonds.
Eine solche Politik mehrheitsfähig zu machen, muss das Ziel der gesamteuropäischen Linken sein. Die Befürwortung eines Grexis würde einer solchen Politik diametral entgegengesetzt sein.