Griechenland vor dem Absturz?

von

Dr.Peter Behnen

Seit Wochen versuchen die EU, und vor allem die Bundesregierung, die Regierung Tsipras in die Knie zu zwingen. Begleitet von einer antigriechischen Medienkampagne des Boulevards der Bundesrepublik hat auch Wolfgang Schäuble noch einmal zugelegt. Er behauptet, die griechische Regierung habe das Vertrauen der europäischen Partner komplett zerstört. Noch vor zwei Jahren war die herrschende Elite Europas mehrheitlich der Auffassung, ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone bedeute ein großes wirtschaftliches Risiko und beinhalte die Gefahr eines Dominoeffektes. Inzwischen scheint man aber einen „grexit by accident“, einen ungeplanten Ausstieg, nicht mehr auszuschließen. Die Lösung des Konflikts scheint nur noch in Spitzengesprächen denkbar zu sein, zumal die griechische Regierung kurzfristig 824 Mio. Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen und mit 1,6 Mrd. Euro eine laufende Staatsanleihe ersetzen muss. Außerdem sind 2 Mrd. Euro an Gehältern und Renten im öffentlichen Dienst zu zahlen. Insgesamt steckt Griechenland in akuten Zahlungsnöten.

Dem ist die aktuelle wirtschaftliche Situation Griechenlands gegenüberzustellen. Im Jahre 2014 erreichte die griechische Wirtschaft nur ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 0,8%, das letzte Quartal 2014 erbrachte wieder einen Rückgang von 0,4%. Da schon die damalige Regierung Samaras weitere Sozial- und Personalkürzungen gegenüber der EU ablehnte bzw. im eigenen Land nicht mehr durchsetzen konnte, wurden die Finanztranchen aus dem laufenden EU-Programm durch die EU gestoppt. Inzwischen braucht Griechenland dringend frisches Geld um Zinszahlungen und Schuldentilgungen leisten zu können. Der Primärüberschuss für 2014, das ist ein Haushaltsplus ohne Zinszahlungen, betrug nur 0,3% des BIP, obwohl die damalige Troika 1,5% vorgeschrieben hatte. Das liegt vor allem daran, dass es bisher nicht gelungen ist, ausstehende Steuereinnahmen einzutreiben Der griechische Finanzminister schätzt, dass noch etwa 76 Mrd. Euro an Steuerrückständen bestehen, von denen nur noch ein Teil als eintreibbar gilt. Durch Verabschiedung eines neuen Steuergesetzes und Arrangements mit ausländischen Banken hofft die Regierung den Steuerbetrug eingrenzen zu können. Ferner hält die Kapitalflucht aus Griechenland an, für Januar und Februar 2015 werden es etwa 20 Mrd. Euro sein, die ins Ausland verbracht wurden.
Wichtig wäre es, wenn die Gläubiger-Staaten ein minimales Entgegenkommen signalisierten, doch bisher pocht die EU-Elite darauf, dass die Verpflichtungen der Vorgängerregierungen einzuhalten seien. Trotz dieser Lage hat die Regierung Tsipras dem griechischen Parlament einen Katalog zur Bekämpfung der humanitären Krise vorgelegt, den das Parlament akzeptiert hat. Bei diesem Katalog geht es um Lebensmittelgutscheine, kostenlose Stromversorgung und Steueraufschübe für Arme. Das Programm soll 200 Mio. Euro kosten, angesichts der Schuldenproblematik einerseits und den 6,3 Mio. Griechen, die an oder unter der Armutsgrenze leben andererseits, eine vergleichsweise kleine Summe. Aber die Gewährung selbst dieser Summe wird von den Prüfern der Troika bzw. Institutionen abgelehnt und zeigt, welche inhumanen und antidemokratischen Strukturen sich in diesen Gremien herausgebildet haben.
Ob ausgerechnet von der Bundesregierung unter Angela Merkel eine Entspannung der Lage eingeleitet wird muss bezweifelt werden. Die Bundeskanzlerin hat deutlich gemacht, dass weder auf einem EU-Gipfel in Brüssel noch in einem direkten Gespräch mit Alexis Tsipras neue Entscheidungen zu erwarten seien. Lediglich die Europäische Zentralbank (EZB) gestand eine kleine finanzielle Entlastung für Griechenland zu. Sie erweiterte den Spielraum für die griechische Nationalbank für Notfallkredite an griechische Banken um 400 Mio. Euro. Auch die SPD hat sich entschieden, den Kurs Merkels und Schäubles mitzutragen. Das heißt, die nächsten Tage und Wochen können zu weiteren sozialen Verwerfungen in Griechenland führen und ein eventueller Super-Gau in der Eurozone wird von der Bundesregierung offensichtlich in Kauf genommen.