Sanierungspolitik in Europa

Dr.Peter Behnen

 

In den letzten Wochen hat die Neuausrichtung der Politik Griechenlands durch das Parteienbündnis Syriza die Schlagzeilen bestimmt. Es ist mehr als klar geworden, dass einerseits eine alternative Wirtschafts- und Finanzpolitik in Europa notwendig wäre andererseits aber die neoliberalen Beharrungskräfte nicht bereit sind, einen politischen Kurswechsel vorzunehmen. Der Besuch des neuen griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis in Berlin und das Auftreten des Finanzministers Wolfgang Schäuble haben das deutlich unterstrichen. Schäuble im Verbund mit anderen politischen Kräften in Europa haben nicht erkannt, dass die neoliberale Grundkonzeption und die europäische Sanierungspolitik gescheitert sind. Interessanterweise haben Ökonomen des Internationalen Währungsfonds (IWF), die jahrelang die neoliberale Grundkonzeption mitgetragen haben, angesichts der lang andauernden stagnativen Entwicklung einen Kurswechsel vollzogen. Es wird deutlich ausgesprochen, dass die Austeritätspolitik in der gegenwärtigen Lage ein untaugliches Rezept für die Wiedergewinnung der ökonomischen Prosperität in den europäischen Krisenländern und der Eurozone insgesamt darstellt.

Die augenblickliche Problematik begann in den kapitalistischen Hauptländern wie den USA, Großbritannien usw. mit der Boomphase seit der letzten Dekade. Diese Boomphase war in allen Fällen mit einer Immobilienblase verbunden und damit auch einer massiven Verschuldung von Haushalten und Unternehmungen. Die Blase platzte im Jahre 2007 und es setzte eine lange Phase des Schuldenabbaus von Haushalten und Unternehmen ein. Viele Unternehmen bereinigen bis heute ihre Bilanzen und viele Haushalte sind mit der Rückzahlung ihrer Kredite beschäftigt. Das hat gravierende Auswirkungen auf die Investitionsentwicklung und die Konsumausgaben. Wenn allerdings Unternehmen und Haushalte gleichzeitig sparen, fehlt es an der gesellschaftlichen Nachfrage und die Investitionen und der Konsum können keinen wirtschaftlichen Aufschwung entfalten. Die wirtschaftliche Entwicklung weist stagnative bzw. rezessive Tendenzen auf.

Die Europäische Zentralbank (EZB) versucht durch eine expansive Geldpolitik gegenzusteuern, durch niedrige bis negative Zinsen und durch den unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen. Doch die Versorgung der Banken mit Liquidität kann nicht die erhoffte expansive Wirkung für Unternehmensinvestitionen und Konsumausgaben der Haushalte haben, weil auch durch die Liquiditätsfülle und niedrigen Zinsen Unternehmen und Haushalte nicht zur Aufnahme von neuen Krediten bewegt werden können. Die Konsequenz ist, dass die Liquidität im Immobiliensektor und Finanzsektor verbleibt und für steigende Immobilienpreise und Wertpapierkurse an den Börsen sorgt. Die EZB steckt in einer sogenannten Liquiditätsfalle, der sich schon J.M. Keynes in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts gegenüber gestellt sah. Die Geldpolitik bewegt wenig in der realen Wirtschaft (Industrieunternehmen, Handel und Dienstleistungen), das heißt, die Zentralbank verliert ihren Einfluss auf Unternehmensinvestitionen und den Konsum der Haushalte.

Wenn in dieser Situation auch noch der Staat durch seine Sanierungspolitik die gesellschaftliche Nachfrage weiter einengt, dann besteht die Gefahr, dass die Wirtschaft in eine deflatorische Abwärtsspirale gerät und schließlich in eine Depression mit all ihren Folgen. In dieser Gefahr steckt insbesondere die Eurozone augenblicklich. Insoweit ist das Festhalten der EU und vornehmlich der Bundesregierung an der Sanierungspolitik nicht nur für Griechenland sondern für die EU insgesamt hochgefährlich. Die etablierte Politik hat offensichtlich die Lektion der 20er und 30er Jahre des letzten Jahrhunderts nicht gelernt. Worauf es jetzt ankommen würde, wäre die Verabschiedung eines umfassenden Investitionsprogramms für Europa, kurzfristig finanziert durch billige Kredite und schon mittelfristig vor allem durch höhere Steuereinnahmen von Besserverdienern und Vermögenden. Insoweit ist das Vorhaben der neuen griechischen Regierung, die Wirtschaft auf demokratische Weise umzubauen und das Steuersystem sozial zu gestalten, der Versuch, die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Gleichzeitig wird durch die Abkehr von der erfolglosen europäischen Sanierungspolitik ein progressiver neuer Weg beschritten, der auch für die EU insgesamt richtungweisend sein müsste. Nur so wird es auch gelingen, gefährliche rechtspopulistische Entwicklungen in Europa zurückzudrängen und die Friedensordnung in Europa nachhaltig zu stabilisieren.