Syriza als Hoffnungsträger Griechenlands.

Dr.Peter Behnen

 

Die Parlamentswahl in Griechenland hat das Wahlbündnis Syriza als klaren Sieger hervorgebracht. Syriza erreichte 36,3% der Wählerstimmen und erhält damit 149 Sitze im neuen griechischen Parlament. Die Nea Dimokratia( ND) und ihr bisheriger Juniorpartner Pasok verloren die Wahl und kommen gemeinsam nur noch auf 89 Sitze. Die restlichen Parteien (Goldene Morgenröte, Potami, KKE und Anel) erreichten zusammen 62 Sitze im Parlament. Die Wahlbeteiligung betrug 63,9%, während sie zwischen 2000 und 2009 noch zwischen 70 und 80% lag. Da Syriza 149 Sitze erreichte, fehlten ihr 2 Sitze für die absolute Mehrheit. Das bedeutete, dass Syriza für die Regierungsbildung einen Koalitionspartner finden musste und das, laut griechischer Verfassung, innerhalb von drei Tagen nachdem der Staatspräsident ein Sondierungsmandat vergeben hatte.
Syriza mit Alexis Tsipras will einen politischen Neuanfang für Griechenland. Das bedeutete, dass die alten Regierungsparteien ND und Pasok als Koalitionspartner wegfielen. Ein Bündnis mit der faschistischen Goldenen Morgenröte war natürlich aus politischen Gründen nicht möglich. Das galt auch für die Kommunistische Partei Griechenlands( KKE), die schon im Vorfeld ein Bündnis mit Syriza abgelehnt hatte. Es blieben nur noch Potami (Der Fluss) oder Anel als mögliche Koalitionspartner. Potami hatte bisher ein eher vages Parteiprogramm mit starken neoliberalen Akzenten vorgelegt. Es fehlte hier auch die Bereitschaft, einen Konflikt mit der neoliberalen Politik der EU einzugehen. Anel (Unabhängige Griechen) ist eine erst 2012 von Panos Kammenos gegründete Partei, die sich bisher scharf gegen die Austeritätspolitik der EU bzw. der Troika(EU-Kommission, IWF und EZB) ausgesprochen hatte. Kammenos war früher Mitglied der ND, ebenso wie verschiedene andere Mitglieder von Anel. Ihnen werden von verschiedenen Seiten rechtspopulistische Positionen vorgeworfen. Trotzdem vereinbarten Syriza und Anel eine Koalitionsregierung. Es muss für die Zukunft abgewartet werden, wie tragfähig dieses Bündnis ist und inwieweit es auf dieser Basis gelingt, einen innenpolitischen und außenpolitischen Neuanfang für Griechenland zu verwirklichen.

Die Ausgangslage der neuen Regierung.

Die bisherige Regierung Samaras hatte die meisten Auflagen der Troika (Eu-Kommission, EZB und IWF) durchgesetzt, das waren vor allem Sozialkürzungen, eine Deregulierung des Arbeitsmarktes und massive Verschlechterungen der sozialen Mindeststandards. Es wurde zwar die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen erhöht, aber wirklich fortschrittliche Strukturveränderungen der Wirtschaft und Gesellschaft fanden nicht statt. Das wären z.B. eine grundlegende Steuerreform, eine Neuordnung der Sozialversicherungen und des Gesundheitswesens gewesen. Die griechische Wirtschaft wies am Ende der Regierung Samaras eine 25%ige Schrumpfung mit einer hohen Arbeitslosigkeit auf. Außerdem versank die Regierung immer weiter in Misswirtschaft und Korruption. In den letzten Monaten hatte sich die Regierung Samaras mit den internationalen Kreditgebern überworfen und es sollte, nach Auszahlung einer noch ausstehenden Kredittranche, die Sparpolitik beendet werden. Ab Januar 2015 wollte die Regierung Samaras den Kreditbedarf wieder durch den internationalen Kreditmarkt decken. Aber die Troika verweigerte die Freigabe der letzten Tranche, weil die Regierung keine weiteren Sozialkürzungen durchführen wollte. Die wären in Griechenland politisch nicht mehr durchsetzbar gewesen. Die Regierung Samaras entschloss sich, die Neuwahl des Staatspräsidenten vorzuziehen und da diese Neuwahl mit drei Wahlgängen nicht gelang, mussten laut Verfassung Parlamentsneuwahlen stattfinden. Das Ergebnis ist bekannt.
Die neue Regierung Tsipras steht vor einem Scherbenhaufen. Viele Griechen sind auf Notmaßnahmen angewiesen. Unter der Krise leiden vor allem Arbeitslose, Selbstständige, Kranke und Kinder, Tsipras spricht zu Recht von einer humanitären Katastrophe. Das Linksbündnis will diese Situation unmittelbar bekämpfen. Das soll in erster Linie durch steuerpolitische Maßnahmen zu Lasten der „Finanzoligarchie“ geschehen. In einem zweiten Schritt soll ein Investitionsprogramm auf den Weg gebracht werden, mit dem die Arbeitslosigkeit bekämpft und die Wirtschaft in Schwung gebracht werden soll. Das Hilfsprogramm wird mit 1,8 Mrd. Euro jährlich und das Investitionsprogramm mit 11,5 Mrd. Euro veranschlagt, beides finanziert durch inländische Mittel insbesondere durch eine Steuerreform. Parallel dazu wird es notwendig sein, eine Neuverhandlung der Troika-Auflagen anzugehen. Das Hauptziel ist auch hier, die humanitäre Katastrophe zu bekämpfen und im Rahmen eines Investitionsprogramms Griechenland auf den Wachstumskurs zurückzuführen.

Die Schwerpunkte des Syriza-Programms.

Schon vor der Wahl wurden von Syriza die Schwerpunkte des Erneuerungsprogramms benannt. Einer der führenden Ökonomen Griechenlands und Wirtschaftsberater von Tsipras Jannis Milios hat das auch in deutschen Medien frühzeitig dargestellt (1). Milios weist darauf hin, dass nicht nur Griechenland sondern Europa insgesamt sich in einer ernsten Krise be-
finden mit der Gefahr einer Deflation. Er spricht sich dafür aus, dass ein neues europäisches Sozialmodell entwickelt wird und Realinvestitionen und vor allem Zukunftstechnologien gefördert werden. Der Wettlauf um niedrigere Löhne sei zum Schaden aller Länder Europas. Auf Griechenland bezogen macht Milios die „Oligarchie“ des Landes für die Krise verantwortlich. Korruption und Vetternwirtschaft seien an der Tagesordnung. Es existiere inzwischen eine Liste von 24000 Personen, die in den letzten Jahren jeweils mehr als 100.000 Euro am Finanzamt vorbei ins Ausland verbracht hätten. Diese Information stamme von der alten Regierung Samaras. Jannis Milios schlägt deswegen drei Schwerpunkte und ein ganzes Bündel von Einzelmaßnahmen zur Überwindung der Krise vor.

1. Der Produktionsapparat sei zu modernisieren.
2. Der Sparauflagen der Troika seien abzumildern.
3. Der Schuldendienst der privaten Haushalte sei auf ein Drittel der Einkommen zu beschränken bis der Schuldendienst wieder geleistet werden könne.
Weiter Einzelmaßnahmen müssten u.a. folgende sein.
1. Einkommen und Vermögen seien umzuverteilen.
2. Die Steuereintreibung müsse neu organisiert werden.
3. Hohe Einkommen und Vermögen über 1 Million Euro seien stärker zu besteuern.
4.Finanzmarkttransaktionen und Käufe von Luxusgütern seien zu besteuern
5. Steuerbefreiungen von Schiffseigentümern und der griechisch-orthodoxen Kirche seien zu beenden.
6. Das Bankgeheimnis sei aufzuheben.
7. Transaktionen, die von Offshore-Unternehmen durchgeführt werden, seien zu verbieten.

Jannis Milios rechnet vor, dass die Finanzierung des Syriza-Programms erstens aus der Eintreibung von Steuerückständen, die insgesamt auf 70 Mrd. Euro gestiegen seien, erfolgen solle. Zweitens gingen dem Staat jährlich über 12 Mrd. Euro durch Steuerhinterziehung und Ölschmuggel verloren. Das habe sogar die Regierung Samaras bestätigt. Drittens hoffe man sechs weitere Milliarden Euro aus dem Fonds für Bankenstabilisierung und aus dem EU- Strukturfonds zu erhalten. Damit muss der Fokus auf die zukünftige EU- Politik gerichtet werden, denn sie ist mitentscheidend für die erfolgreiche Verwirklichung des Syriza- Programms.

Reaktionsmöglichkeiten der zukünftigen EU- Politik.

Bisher hatte die Troika versucht, die europäischen Krisenländer durch Sparauflagen aus der Krise zu führen. Diese Politik ist offenkundig geschei-
tert, obwohl die herrschenden Eliten das bisher nicht wahrhaben wollen. Weiterhin bestehen führende Politiker in der EU und vor allem in der Bundesrepublik auf eine vollständige Rückzahlung der Schulden. Es wurde Syriza sogar damit gedroht, Griechenland müsse die Eurozone verlassen, falls die Sparauflagen nicht eingehalten würden.
Was würde aber dann mit dem Schuldenberg passieren, der auf Griechenland lastet? Alexis Tsipras macht klar, dass es für Griechenland und andere Schuldnerländer eine europäische Lösung geben müsse. Ein Teil der Schulden müsse abgeschrieben und ein anderer Teil auf eine erträgliche Weise getilgt werden. Tsipras und seine Regierung beabsichtigen, einen Teil-Schuldenerlass und eine Lockerung der Troika- Auflagen zu erhalten. Ein Ausstieg aus der Währungsunion ist für die Regierung Tsipras keine Option und die EU wäre schlecht beraten, konstruktive Verhandlungen zu verweigern. Die Staatsschuld Griechenlands beläuft sich augenblicklich auf etwa 300 Mrd. Euro, Griechenland erhielt bisher aus den europäischen „Rettungsfonds“ insgesamt 237 Mrd. Euro. Diese Gelder gingen zu über 90% direkt an die Banken zur Schuldentilgung. Geändert hat sich nicht das Volumen der Verschuldung sondern lediglich die Gläubigerstruktur. Der Anteil der öffentlichen Gläubiger beträgt derzeit 88%. Jannis Milios weist zu Recht darauf hin, dass es unsinnig ist, neue Kredite zu vergeben nur um Schuldentilgungen zu bedienen anstatt das Geld in Infrastrukturprojekte zu investieren und die humanitäre Katastrophe zu bekämpfen. Er erinnert daran, dass auch Deutschland 1953 ein Großteil der Vorkriegs- und Kriegsschulden erlassen wurde, um einen Neustart zu ermöglichen. Er wendet sich auch gegen das Argument, wenn bei Griechenland Zugeständnisse gemacht würden, würden auch andere hochverschuldete Länder Zugeständnisse fordern. Er halte das nicht für eine Bedrohung Europas sondern für eine Gelegenheit für die politischen Eliten, über ihre gescheiterte Austeritätspolitik nachzudenken. Zusammenfassend kommt er zu dem Ergebnis: „Es braucht ja nicht nur Griechenland eine Abkehr vom bisherigen Kurs. Auch in anderen Ländern. Auch in Deutschland. Der Zwang zur Sparsamkeit, Lohnsenkungskonkurrenz und Wettbewerbsfähigkeit hat auch der deutschen Arbeitsbevölkerung nicht gut getan“(2). Dem ist nichts Weiteres hinzuzufügen. Das Votum der Bevölkerung in Griechenland wird zwar zu Repressionen der Akteure auf den Finanzmärkten führen, es wurde aber ein neuer Entwicklungspfad für eine progressive europäische Politik beschritten.

(1) Siehe zum Folgenden u.a. Berliner Zeitung vom 12.1.15 und auch Sozialismus aktuell vom 26.1.15 und 28.1.15

(2) Das Zitat stammt aus der Berliner Zeitung vom 12.1.15