Pegida,Rechtspopulismus und linke Gestaltungspolitik

Dr.Peter Behnen

Dresden gilt inzwischen als Hochburg der Pegida. Die Abkürzung steht für die Bewegung „ Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes.“ Die Technische Universität Dresden stellte allerdings in einer Befragung von Pegida- Demonstranten fest, dass bei mehr als 75 Prozent der Befragten die sogenannte „Islamisierung des Abendlandes“ überhaupt keine Rolle spielt (1). Die Studie fördert die Erkenntnis zu Tage, dass mit großem Abstand (54%) die allgemeine Unzufriedenheit mit der Politik und die Kritik an Medien (20%) als Hauptgrund für die Teilnahme an Pegida- Demos genannt wird. Vorbehalte gegenüber Asylbewerbern (15%) und Angst vor religiöser Gewalt (5%) spielten bei dieser Befragung nicht die zentrale Rolle. Die soziale Herkunft der Demonstrationsteilnehmer weist nach Angabe der Forscher aus Dresden folgende Merkmale auf. Der typische Pegida- Demonstrant stamme aus der „ sächsischen Mittelschicht, sei überwiegend männlich, durchschnittlich 48 Jahre alt, konfessionslos, nicht parteigebunden, gut ausgebildet, berufstätig und verfüge über ein für sächsische Verhältnisse etwas überdurchschnittliches Nettoeinkommen.“(2) Der Protest werde nicht von Rentnern oder Arbeitslosen getragen, knapp die Hälfte gab an, Arbeiter oder Angestellter zu sein. Zwanzig Prozent der Teilnehmer bezeichneten sich als selbstständig, 18 Prozent als Rentner und nur zwei Prozent als Arbeitslose. Nach dem Eindruck der Wissenschaftler der TU Dresden sei für die Mehrheit der Befragten maßgebend, ihre Vorbehalte und Ressentiments gegen politische und meinungsbildende Eliten zum Ausdruck zu bringen. Die Pegida werde nach Auffassung der Wissenschaftler entweder Teil der bereits bestehenden rechtspopulistischen Bewegung oder der verlängerte Arm der AFD.

Zu ähnlichen Ergebnissen wie die Dresdener Forschungsgruppe kommt die Studie „ Fragile Mitte, feindselige Zustände“, die 2014 von Bielefelder Soziologen und der Friedrich-Ebert-Stiftung vorgelegt wurde. (3) Bei dieser repräsentativen Umfrage in der gesamten Bundesrepublik wird deutlich, dass Vorurteile gegen Langzeitarbeitslose (61%), Obdachlose (21%) und Ausländer (37%) in der Bevölkerung stark verwurzelt sind. Über 73% der
Befragten gab zudem an, dass der politischen Klasse nicht zugetraut werde, die Probleme des Landes zu lösen und sich gegen die Macht der Wirtschaft durchzusetzen. Die Autoren führen die Abwertung von Minderheiten darauf zurück, dass viele Bürger meinen, ihren sozialen Status, den sie als gefährdet ansehen, aufwerten zu können, wenn Minderheiten abgewertet werden. Viele Bürger seien durch Angst gesteuert, vor allem durch die Angst vor dem sozialen Abstieg. Die Mehrheit dieser Bürger fühlt außerdem politische Machtlosigkeit, politische Eliten zerredeten alles ohne zur Lösung von Problemen zu kommen.

Es zeigt sich durch die aufgeführten Studien, dass es keineswegs in erster Linie diffuse Ängste sind, die die Pegida und den Rechtspopulismus hervorbringen, sondern sehr reale gesellschaftliche Probleme. Die neoliberale Politik der letzten Jahre hat zwar eine Ausweitung der Beschäftigung gebracht, aber gleichzeitig inzwischen eine ökonomische Stagnation, einen großen Niedriglohnsektor, eine erhebliche Absenkung von sozialen Leistungen und der Alterssicherung, eine verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit und eine krasse Ungleichheit in der Einkommens- und Vermögensverteilung. Der Anstieg der sozialen Unsicherheit und das Aufkommen der Pegida und des Rechtspopulismus sind zwei Seiten der gleichen Medaille.Teile der von Abstiegsängsten geplagten „Mitte“ sowie Teile der Bessergestellten fordern die Abgrenzung gegenüber Fremden, vor allem gegenüber islamischen MigrantInnen.

Diese Unruhe werden die politischen und medialen Eliten nicht durch Beschwichtigung, moralische Appelle oder auch durch öffentliche Verurteilung auflösen können. Es ist ein Politikwechsel gefragt, der augenblicklich nicht von der Mehrheit der Konservativen und Sozialdemokraten zu erwarten ist. Damit sind wir beim Kern zukünftiger linker Politikgestaltung angelangt. Es ist notwendig, dass die Linkspartei zusammen mit fortschrittlichen Sozialdemokraten und Grünen ein gemeinsames Projekt der sozialen Veränderung angehen. Das bedeutet, dass ein Minimalkonsens zu erarbeiten ist, der auch politisch umsetzbar ist. Es ist eine Doppelstrategie zu verfolgen, mit der einerseits die Lebensverhältnisse der Bürgerinnen und Bürger schon kurzfristig verbessert werden und andererseits ein Weg in Richtung einer umfassenden Demokratisierung der Gesellschaft beschritten wird. Diese Doppelstrategie gilt es auch in der Linkspartei offensiv zu vertreten. Es ist eine Herausforderung für die Linkspartei auszuloten, welche Schnittmengen für eine soziale Politik mit Teilen der Sozialdemokratie und der Grünen bestehen und ein gemeinsames Projekt aktiv mitzugestalten. Das muss auch für eine alternative Europa- und Außenpolitik gelten. Vier Punkte für ein gemeinsames Projekt sind bevorzugt anzugehen, die alle dazu beitragen müssen, die Verunsicherung der BürgerInnen zu bekämpfen und damit die Pegida und den Rechtpopulismus zurückzudrängen.

1. Mit Blick auf die ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung muss deutlich werden, dass die Bekämpfung der Ungleichheit mit einer entsprechenden Steuerpolitik einen Weg aus der ökonomischen Stagnation darstellt.

2. Die Kluft zwischen der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung und einem überdehnten Finanzsektor ist zu bekämpfen. Ein groß angelegtes öffentliches Investitionsprogramm und eine Regulierung des Finanzsektors können zur Stabilisierung der ökonomischen Lage beitragen.

3. Ein europäischer Investitionsfonds durch eine europäische Umverteilung finanziert muss die fragile Lage im Eurobereich stabilisieren. In diesem Zusammenhang ist eine soziale Einwanderungspolitik zu entwickeln.

4. Die krisenverschärfende Kürzungspolitik bei Löhnen, Renten und im Sozialbereich ist zu beenden. Ein wichtiger Beitrag hierzu ist die Stärkung der Binnenwirtschaft in der Bundesrepublik und die Abkehr von der rücksichtslosen Wettbewerbspolitik.

Ein grundlegender Politikwechsel wird dazu beitragen, Ressentiments gegen sozial Schwache, MigrantInnen und ausländische Mitbürger abzubauen und politisch zu entschärfen. Nicht groß angelegte Medienkampagnen und moralische Appelle der etablierten Politik, so begrüßenswert sie sind, werden letztlich die Pegida und den Rechtspopulismus zurückdrängen und die gesellschaftlichen Probleme lösen sondern nur eine alternative Politik, die an die Ursachen der Verunsicherung von Bürgerinnen und Bürgern herangeht. Das geht nach Lage der Dinge nicht mit der etablierten Politik sondern nur mit einem alternativen Projekt aus Linkspartei und Teilen der SPD und Grünen.

(1) Siehe zum Folgenden: www.faz-net/aktuell/politik…und weitere Links.
(2) a.a.O. S.2
(3) Andreas Zick, Anna Klein: Fragile Mitte, feindselige Zustände, Dietz-Verlag 2014.