Tarifeinheit versus Streikrecht?

von Dr.Peter Behnen

Die Bundesregierung plant, Tarifkämpfe wie bei der Bahn oder der Lufthansa per Gesetz einzudämmen. Mehrere Gewerkschaften in einem Betrieb sollen ab Mitte 2015 nicht mehr verschiedene Tarifverträge abschließen können sondern es soll ein neues betriebliches Tarifrecht installiert werden.Der Hintergrund der Aktion der Bundesarbeitsministerin Nahles sind die Streiks der Lokführergewerkschaft GDL und der Luft-hansa-Piloten. Die Streiks lösten in den Leitmedien vielfach verbal-radikale Attacken aus. Die Beschäftigten und ihre Vertreter wurden als „dumm“, „irre“ und „verantwortungslos“ beschimpft. Die Bundesregierung scheint sich dem Druck der Medien beugen zu wollen. Den in Arbeit befindlichen Gesetzentwurf zur Tarifeinheit will Nahles im November vorlegen und im Dezember im Kabinett absegnen lassen. Es soll gesetzgeberisch geregelt werden, dass bei sich überschneidenden Tarifzuständigkeiten in einem Betrieb nur noch der Tarifvertrag der „Mehrheitsgewerkschaft“ zur Geltung kommt. Damit würde der „Minderheitsgewerkschaft“ eine eigenständige Tarifpolitik und die Streikmöglichkeit entzogen.
Es ist allerdings ratsam, bevor dieser Gesetzentwurf näher beurteilt wird, sich einige Punkte der Vorgeschichte ins Gedächtnis zu rufen. Es scheint inzwischen vergessen worden zu sein, dass der Flächen-tarifvertrag im letzten Jahrzehnt von der rot-grünen Bundesregierung untergraben wurde.Was wir heute erleben ist das Ergebnis der geforderten Arbeitsmarktflexibilisierung und der Forderung, Tarifverhandlungen stärker auf die Betriebsebene zu verlagern.Es ist jetzt wieder die Politik, das heißt die schwarz-rote Bundesregierung, die den kleinen Gewerkschaften mit einem Gesetz zur Tarifeinheit droht. Offensiv werden Medien genutzt, um die Arbeitskämpfe von Lokführern und Piloten zu skandalisieren anstatt über Hintergründe aufzuklären. Es geht im Arbeitskampf der Lokführer zum Beispiel nicht nur um 5 Prozent mehr Einkommen sondern auch um eine Arbeitszeitverkürzung um 2 Stunden und die Beschränkung von Überstunden.Es gehr allerdings auch um einen Machtkampf mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerk-schaft (EVG), also um die Erweiterung des Organisationsbereichs der GDL. Das Letztere muss als sehr problematisch angesehen werden, doch sollten auch hier die unternehmenspolitischen Hintergründe bedacht werden. Die Deutsche Bahn reduzierte die Belegschaft zwischen 2002 und 2012 von 350.000 auf 190.000 Beschäftigte. Es entstand ein chronischer Personalmangel bei Lokführern, Zugbegleitern und Bordpersonal.Die Konzerntarifverträge, die die EVG abschloss, galten jedoch nicht für alle Mitarbeiter der Bahn. Der Konflikt zwischen EVG und GDL geht auch auf diese Situation zurück. Der Bahhnvorstand jedoch schürte diesen Konflikt noch mit dem Ziel, zu einer Einschrän-kung des Streikrechtes zu kommen.
Der jetzt in Arbeit befindliche Gesetzentwurf ist ein fundamentaler Eingriff in die Koalitionsfreiheit, die in Artikel 9 Abs.3 des Grundgesetzes verankert ist. Eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht und ein Scheitern des Gesetzes sind wahrscheinlich vorprogrammiert. Problematisch ist allerdings auch, dass einige Einzelgewerkschaften des DGB offenbar bereitwillig an dem Entwurf mitgearbeitet haben. Es sollte klar sein, dass dieser Schuss nach hinten losgehen kann. Wenn der Gesetzgeber die Tarifeinheit nach dem Mehrheitsprinzip regeln will, ist die Entscheidung für oder gegen eine Gewerkschaft in die Hände der Arbeitgeber gelegt. Da die Arbeitgeber ihre Betriebe in ihrem Sinne organisieren, können sie über die Organisation bestimmen, welcher Tarifvertrag mehrheitlich dominiert. Insoweit kann die wirkliche Alternative für DGB-Gewerkschaften nur darin bestehen, eine Einheit zwischen verschiedenen Gewerkschaften in einem Betrieb dadurch zu erzielen, dass faire Absprachen zwischen ihnen getroffen werden und sich nicht politisch per Gesetz unter Preisgabe des Streikrechtes die Einheit aufzwingen zu lassen.